Viollet Le Duc (1814 - 1879): Mode zur Zeit Heloïsas und Abaelards

© Dr. Werner Robl, 2002

 

Im Jahre 1910 veröffentlichte der aus dem belgischen Adel stammende Journalist Maurice de Waleffe in Paris ein kleines Bändchen über Heloïsa und Abaelard: Héloise, amante et dupe d'Abélard, la fin d'une légende. Über Maurice de Waleffe ist heute wenig bekannt: Er lebte zwischen 1874 und 1946 und war Journalist, Dramaturg und Romanschriftsteller, welcher auch unter dem Pseudonym Maurice Cartuyvels veröffentlichte. Im Jahre 1909 hatte er in Paris bereits einen umfangreichen Reisebericht über Mittelamerika herausgegeben: Les paradis de l'Amérique centrale: Les Antilles, Panama, Costa-Rica, Le Mexique. Als Direktor mehrerer großer Zeitschriften, z. B. Paris-Midi oder Le Journal, nahm er erheblichen Einfluss auf den Zeitgeschmack seiner Zeit. Heftig währte er sich gegen den aufkeimenden Amerikanismus in Frankreich und organisierte mehrere Miss-Wahlen, u. a. die Wahl der Miss Europe: Dazu gründete er im Jahre 1927 das Comité International pour l´Election de Miss Europe; die erste Miss Europe wurde anlässlich des traditionellen Balles Les petits lits blancs in der Großen Oper von Paris mit den anderen europäischen Titelträgerinnen gewählt und öffentlich vorgestellt. Kurz vor seinem Tod im Jahre 1947 erschienen seine Memoiren: Quand Paris était un paradis, mémoires 1900-1939.

Das uns vorliegende Exemplar des Büchleins über die getäuschte Liebe Heloïsas trägt eine persönliche Widmung des Autors an seinen Stiefbruder. In sieben Kapiteln raisonnierte der Autor über die tragische Geschichte Heloïsas und Abaelards in gefälligem und lockerem Erzählstil. Trotzdem ist wegen der vielen historischen Ungenauigkeiten und der subjektiven Darstellung der Wert der Darstellung für den heutigen Leser eher bescheiden. Umso mehr erfreut die Tatsache, dass sich Maurice de Waleffe darum bemüht hatte, den Zeitgeschmack des frühen 12. Jahrhunderts in zahlreichen Abbildungen darzustellen. Dabei griff er auf die Stiche und Holzschnitte eines berühmten Mannes zurück: Sämtliche Darstellungen stammten aus dem Dictionnaire raisonné du mobilier français de l'époque Carolingienne à la Renaissance, veröffentlicht von dem berühmten französischen Architekten Viollet le Duc.

Eugène Emmanuel Viollet le Duc, 1814-1879, war ein gebürtiger Pariser und tat sich als französischer Architekt und Kunsttheoretiker hervor. Insbesondere beschäftigte er sich mit der Restaurierung mittelalterlicher Kirchen und Kathedralen, wobei er es jedoch aus heutiger Sicht mit der historischen Substanz nicht immer penibel umging. Er gilt heute - zusammen mit Prosper Mérimée, Inspektor der historischen Denkmäler Frankreichs - als der Begründer der historischen Denkmalpflege im Frankreich des 19. Jahrhunderts. Als Stararchitekt der Zweiten Republik und des Zweiten Kaiserreichs rekonstruierte er unter anderem die Stadtbefestigung in Carcassonne, die Kirche Sainte-Madelaine in Vézelay, die Basilika von Saint-Denis, sowie in Paris die Kunstdenkmäler Saint-Chapelle und Notre-Dame. Kurz zuvor hatte Victor Hugo mit seinem berühmten "Glöckner von Notre-Dame" in Paris und Frankreich die Begeisterung für das Mittelalter nach Kräften gefördert. Zu den weiteren Restaurationsobjekten Viollets le Duc zählten die Kathedralen von Toulouse, Amiens, Clermont-Ferrand und Lausanne, sowie einige Profanbauten, u. a. der Synodalsaal von Sens oder die Schlösser von Roquetaillade und Pierrefonds (lNapoleon III.) Obwohl Viollet le Duc kein Architekt der Art Nouveau war, welche erst lange nach seinem Tod in Mode kam, beeinflusste er dennoch mit seiner Architektur die Werke so berühmter Protagonisten der Art Nouveau wie Guimard, Gaudi und Horta. Viollet le Duc war übrigens zu seiner Zeit wegen seiner dominierenden Stellung in der französischen Kunstszene nicht unumstritten: Als ihn im Jahre 1864 Napoleon III. zum Professor der Schönen Künste in Paris ernannte, musste Viollet in Bälde wegen des Widerstands der Académie française und ihrer Adepten zurücktreten. Als Generalinspekteur der französischen Diözesanbauten wirkte Violett le Duc noch bis zum Jahre 1874. Im Jahre 1879 verstarb er schließlich in Lausanne.

Viollets wichtigste schriftstellerische Leistung war das Dictionnaire raisonné de l'architecture française du XIème au XVIème siècle: In 10 Bänden mit fast 4000 Textseiten finden sich 4500 Holzschnitte aus seiner Hand, erkennbar an den Initialen E. VLD. Nicht weniger reich illustriert war das Dictionnaire du mobilier de l'époque Carolingienne à la Rennaissance, welches zwischen 1854 und 1868 veröffentlicht wurde. Aus letzterem Standardwerk der Mode des Mittelalters stammen die gefälligen Abbildungen, welche Maurice de Waleffe in seinem Heloïsa-Bändchen von 1910 veröffentlichte und durch die Bildunterschriften mit Heloïsa und Abaelard in Verbindung brachte:

 

Eine Dame zur Zeit Heloïsas. Portal von Notre-Dame von Corbeil, heute in Saint-Denis.  

Umschlagsblatt:

Une dame au temps d'Héloïse
Portail de Notre-Dame de Cor-
beil,  aujourd'hui à Saint-Denis

 

Silhouette des disputierenden Abaelard, Manuskript der Bibliothek von Tours.

Seite 23:

Silhouette d'Abélard pérorant
Manuscrit de la Bibliothèque
de Tours

Nachtgewand Heloïsas, Portal von Notre-Dame in Chartres.

Seite 5:

Costume d' Héloïse dans l'intimité,
portail de Notre-Dame de Chartres

 

 Der "Bliaut" (= höfisches Obergewand) Abaelards, Portal von Notre-Dame in Chartres.

Seite 13:

Le "bliaut" d'Abélard, portail
de Notre-Dame de  Chartres

  Das Bett Heloïsas, Manuskript der Herrad von Landsberg, Bibliothek Straßburg.

Seite 43:

Le lit  d'Héloïse, manuscrit
d' Herrade   de   Landsberg
Bibliothèque de Strasbourg

 

Sessel zur Zeit Heloïsas.

Seite 37:

Fauteuil au temps d'Héloïse

 

Hauptreliquiar des Heiligen Oswald aus getriebenem Silber.  

Seite 151:

Reliquaire-chef  de  Saint
Oswald, argent repoussé

Benediktinerkutte Abaelards, Manuskript der Nationalbibliothek Paris.

Seite 118:

Froc bénédictin d'Abé-
lard, manuscrit  de  la
Bibliothèque Nationale

 

Der tote Abaelard trifft im Paraklet ein, Romuleon, Manukript der Nationalbibliothek Paris.

Seite 139:

Abélard  arrive au Paraclet,
le Romuléon, manuscrit de
 la   Bibliothèque   Impériale

 

Der Kopfschal und der Bart, Kapitell der Kirche Sainte-Madeleine in Vézelay.

Seite 16:

Les  "guernons"   et   la   barbe,
chapiteau de l'église de Vézelay

 


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