Bernhards Schreiben gegen Arnold von Brescia

 

Mit dem Urteil des Papstes Innozenz II. von 16. Juli 1141, durch welches er zusammen mit Peter Abaelard zu Klosterhaft und ewigem Schweigen verurteilt worden war, war auch für Arnold von Brescia keine Möglichkeit mehr gegeben, als freier Lehrer in Paris zu bleiben. Als er auf Betreiben Bernhards von Clairvaux auch noch von König Ludwig VII. geächtet wurde, wechselte er in die Diözese Konstanz zu Bischof Hermann von Arbon. Der Konstanzer Bischof hatte eine eigenartige Karriere beschritten: Er war vom Lager der Welfen in das der Staufer gewechselt. Im Jahre 1138 war er als Gegenkandidat des kaiserlichen Favoriten zum Bischof von Konstanz gewählt worden. Dennoch unterstützte er später die Kaiser Konrad III. und Friedrich Barbarossa, deren Freund er wurde. In seiner Diözese verweilte er nur den allergeringsten Teil seiner Amtszeit.

Auch in der Schweiz wurde Arnold von Brescia noch von Bernhard von Clairvaux, der sich der Gefährlichkeit seiner fundamentalistischen Theologie bewusst war, verfolgt - zumindest brieflich. Arnold war wohl zum Unterricht der Theologie zugelassen worden und soll in Zürich gepredigt haben - und dies, obwohl er weiterhin recht offen gegen das kirchliche Establishment predigte, insbesondere gegen die Verderbtheit der Fürstbischöfe. Dies erwähnte u. a. auch Otto von Freising in seinen Gesta Friderici.

Obwohl Bischof Hermann an der umstürzlerischen Predigttätigkeit Arnolds nicht gelegen sein konnte, ließ er diesen dennoch entgegen Bernhards Rat unbehelligt weiterziehen. Später - im Jahre 1146 - trafen sich Bernhard und Hermann anlässlich des Aufrufs zum zweiten Kreuzzug in Frankfurt. Bernhard begleitete Hermann auf seiner Heimreise nach Konstanz. Die Wundertaten Bernhards vermerkte er in einem Liber miraculorum, welches er später an Bischof Heinrich von Beauvais, den Bruder des französischen Königs und späteren Erzbischof von Reims, sandte.

Der zweite Brief Bernhards in Sachen Arnold von Brescia war an den päpstlichen Gesandten Guido gerichtet, bei dem Arnold nach seinem Intermezzo in der Diözese Konstanz weitere Zuflucht gefunden hatte. Dieser war von Innozenz II. nach Böhmen und Mähren gesandt worden, um dort ein Reformprogramm zu verwirklichen. Arnold und Guido lernten sich 1143 in Passau kennen. Aufgrund persönlicher Sympathie und wegen der Askese Arnolds wurden beide trotz der politischen Gegensätze Freunde. Guido hoffte, Arnold mit der Amtskirche versöhnen zu können, was ihm drei Jahre später auch in der Tat gelang. Er nahm Arnold bei seiner Rückreise mit nach Italien zurück, wo er unter dem neuen Papst Eugen III. nach Ableistung einer verhältnismäßig geringen Strafe wieder in die Kirche aufgenommen wurde.

Bernhard lobte in seiner Invektive zwar kurz Arnolds Lebensführung, verwies aber sogleich auf die Gefährlichkeit seiner Ideen: Er habe den Kopf einer Taube und den Schwanz eines Skorpions. Anschließend skizzierte er in kurzen und plakativen Ausdrücken Arnolds Werdegang: Brescia habe ihn ausgespieen, Rom verabscheut, Frankreich vertrieben und Deutschland verwünscht. Italien, das Land, aus dem er stammte, wolle ihn nun nicht wieder aufnehmen. Bernhards Spürsinn hatte ihn nicht getrogen: Arnolds Aussöhnung mit der Kirchenorthodoxie in Rom schlug fehl. Er schloss sich umstürzlerischen Kreisen an, die eine Wiedererrichtung der römischen Stadtrepublik nach antikem Vorbild anstrebten, und begann erneut, gegen die Verweltlichung des Klerus und die Gier der römischen Prälaten zu predigen. Als die Auseinandersetzung zwischen den Bürgern von Rom und dem Papsttum in einen Bürgerkrieg mündete, wurde Arnold im Jahre 1155 verhaftet und anschließend hingerichtet.

 

EPISTOLA CXCV

AD EPISCOPUM CONSTANTIENSEM DE ARNALDO DE BRIXIA.

Monet ut Arnaldum de Brixia, Italia et Gallia pulsum, et iam apud ipsum delitescentem expellat, aut potius ad cavenda maiora damna vinctum teneat.

1. SI SCIRET PATER FAMILIAS QUA HORA FUR VENIRET, VIGILARET UTIQUE ET NON SINERET PERFODI DOMUM SUAM. Scitis quia fur de nocte irruperit domum, non vestram, sed Domini, vobis tamen commissam? Sed dubium esse non potest, scire vos, quod apud vos fit, quando id usque ad nos utique tam remotos potuit pervenire. Nec mirum si non horam praevidere, ac nocturnum furis ingressum observare quivistis. Mirum autem si deprehensum iam non agnoscitis, non tenetis, non prohiberis exportare spolia vestra, immo pretiosissimas Christi exuvias, animas videlicet, quas sua imagine praesignivit, suo cruore redemit. Adhuc forsan haereris et miramini, quemnam dicere velim. Arnaldum loquor de Brixia, qui utinam tam sanae esset doctrinae quam districtae est vitae. Et si vultis scire, homo est neque manducans, neque bibens, solo cum diabolo esuriens et sitiens sanguinem animarum. Unus de numero illorum, quos apostolica vigilantia notat, HABENTES FORMAM PIETATIS, VIRTUTEM ILLIUS PENITUS ABNEGANTES, et ipse Dominus: VENIENT, inquiens, AD VOS IN VESTIMENTIS OVIUM, INTRINSECUS AUTEM SUNT LUPI CAPACES. Is ergo usque ad hanc aetatem, ubicumque conversatus est, tam foeda post se et tam saeva reliquit vestigia, ut ubi semel fixefit pedem, illuc ultra omnino redire non audeat. Denique ipsam, in qua natus est, valde atrociter commovit terram et conturbavit eam. Unde et accusatus apud dominum Papam schismate pessimo, natali solo pulsus est, etiam et abiurare compulsus reversionem, nisi ad ipsius Apostolici permissionem. Pro simili deinde causa et a regno Francorum exturbatus est schismaticus insignis. Exsecratus quippe a Petro apostolo, adhaeserat Petro Abaelardo, cuius omnes errores, ab Ecclesia iam deprehensos atque damnatos, cum illo etiam et prae illo defendere acriter et pertinaciter conabatur.

2. Et IN HIS OMNIBUS NON EST AVERSUS FUROR EIUS, SED ADHUC MANUS EIUS EXTENTA. Nam etiam ita VAGUS ET PROFUGUS SUPER TERRAM, quod iam non licet inter suos, non cessat apud alienos, TAMQUAM LEO RUGIENS, circuiens et QUAERENS QUOS DEVORET. Et nunc apud vos, sicut accepimus, operatur iniquitatem, et devorat plebem vestram, sicut escam panis. Cuius os MALEDICTIONE ET AMARITUDINE PLENUM EST, VELOCES PEDES EIUS AD EFFUNDENDUM SANGUINEM; CONTRITIO ET INFELICITAS IN VIIS EIUS: ET VIAM PACIS NON cognovit. Inimicus crucis Christi, seminator discordiae, fabricator schismatum, turbator pacis, unitatis divisor, cuius DENTES ARMA ET SAGITTAE, ET LINGUA eius GLADIUS ACUTUS. MOLLITI SUNT SERMONES EIUS SUPER OLEUM, ET IPSI SUNT IACULA. Unde et solet sibi allicere blandis sermonibus et simulatione virtutum divites et potentes, iuxta illud: SEDET IN INSIDIIS CUM DIVITIBUS IN OCCULTIS, UT INTERFICIAT INNOCENTEM. Demum cum fuerit de illorum captata benevolentia et familiaritate securus, videbitis hominem aperte insurgere in clerum, fretum tyrannide militari, insurgere in ipsos episcopos, et in omnem passim ecclesiasticum ordinem desaevire. Hoc scientes, nescio an melius salubriusve in tanto discrimine rerum agere valeatis, quam iuxta Apostoli monitum, auferre malum ex vobis. Quamquam amicus sponsi ligare potius quam fugare curabit, ne iam discurrere, et eo nocere plus possit. Hoc enim et dominus Papa, dum adhuc esset apud nos, ob mala quae de illo audiebat, fieri scribendo mandavit; sed non fuit qui faceret bonum. Denique si capi vulpes pusillas demolientes vineam Scriptura salubriter monet, non multo magis lupus magnus et ferus religandus est, ne Christi irrumpat ovilia, oves mactet et perdat?
BRIEF 195

AN DEN BISCHOF VON KONSTANZ ÜBER ARNOLD VON BRESCIA.

Er mahnt ihn, Arnold von Brescia auszuweisen, der aus Italien und Gallien vertrieben worden war und sich jetzt bei ihm versteckt; aber besser sei es, er würde ihn in Fesseln schlagen, um größerem Unheil aus dem Weg zu gehen.

1. WENN DER HAUSHERR WÜSSTE, IN WELCHER STUNDE DER DIEB KOMMT, WÜRDE ER WACHEN UND VERHINDERN, DASS IN SEIN HAUS EINGEBROCHEN WÜRDE. (Lk 12, 39) Wisst Ihr, dass ein Dieb nachts ins Haus eingedrungen ist, nicht in Eures, sondern in das des Herrn, das Euch jedoch anvertraut wurde? Aber es kann kein Zweifel daran bestehen, dass auch Ihr wisst, was bei Euch geschieht, wenn dies bis zu uns vordringen konnte, über eine solche Distanz. Wen wunderte es, dass Ihr nicht die Stunde ahnen und den nächtlichen Einbruch des Diebes bemerken konntet. Allerdings musste es verwundern, wenn Ihr den Ertappten nicht erkennt, nicht festhaltet, nicht hindert, Eure Ausrüstung, freilich die wertvollste Beute Christi wegzutragen, die Seelen, die er mit seinem Bild gezeichnet und mit seinem Blut losgekauft hat. Vielleicht seid Ihr noch unschlüssig und wundert Euch, wen ich denn meine. Ich rede von Arnold von Brescia. O wäre nur seine Lehre so vernünftig wie sein Leben streng! Er ist, wenn Ihr es wissen wollt, ein Mensch, der weder isst noch trinkt, der nur mit dem Teufel nach dem Blut der Seelen hungert und dürstet. Er ist einer aus der Zahl jener, von denen die apostolische Wachsamkeit bemerkt: SIE HABEN DEN ANSCHEIN DER FRÖMMIGKEIT, LEUGNEN ABER VÖLLIG IHREN VORZUG. (2 Tim 3,5) Und der Herr selbst sagt: SIE WERDEN ZU EUCH KOMMEN IM SCHAFSPELZ, INNENWENDIG ABER SIND SIE REISSENDE WÖLFE. (Mt 7,15) Dieser hat also bis in diese Zeit, wo auch immer er sich aufhielt, so hässliche und so wilde Spuren hinter sich gelassen, dass er nicht wagt, noch einmal zurückzukehren, wohin er zuvor seinen Fuß setzte. Schließlich hat er sogar sein Geburtsland ganz schrecklich in Unruhe und Aufruhr versetzt. Deshalb ist er beim Herrn Papst der schlimmsten Spalterei angeklagt und aus seiner Geburtsstadt vertrieben worden; er wurde zum Eid gezwungen, nie mehr zurückzukehren, außer mit Erlaubnis des Heiligen Stuhls. Aus einem ähnlichen Anlass wurde er hierauf auch aus Frankreich ausgewiesen - als gebrandmarkter Schismatiker. Denn er hatte sich - vom Apostel Petrus verwunschen - an Peter Abaelard angeschlossen, dessen sämtliche Irrlehren, die bereits von der Kirche gerügt und verurteilt worden waren, er mit jenem und sogar vor jenem heftig und hartnäckig zu verteidigen suchte.

2. Aber IN ALL DEM HAT SICH SEINE RASEREI NICHT GELEGT, SONDERN SEINE HAND NOCH MEHR AUSGESTRECKT. (Jes 5,25) Denn wenn er auch UNSTET UND FLÜCHTIG AUF DER ERDE UMHERIRRT (Gen 4,12), hört er doch nicht auf, bei Fremden das zu tun, was ihm unter den Seinen nicht mehr erlaubt ist, nämlich WIE EIN BRÜLLENDER LÖWE herumzustreifen und NACH OPFERN ZU SUCHEN, DIE ER VERSCHLINGEN KÖNNTE. (1 Petr 5,8) Nun treibt er - wie wir vernommen haben - bei Euch Schlimmes und verschlingt Euer Volk wie einen Happen Brot. Sein MUND IST VOLL SCHLECHTER REDEN UND BITTERNIS, SEINE FÜSSE SCHNELL BEREIT, BLUT ZU VERGIESSEN. VERDERBEN UND UNGLÜCK SÄUMEN SEINE WEGE, UND EINEN WEG DES FRIEDENS KENNT ER NICHT. (Rom 3,14-17) Er ist ein Feind des Kreuzes Christi, sät Zwietracht, erzeugt Spaltungen, stört den Frieden und zerlegt die Einheit. SEINE ZÄHNE SIND WAFFEN UND PFEILE, SEINE ZUNGE EIN SPITZES SCHWERT. (Ps 56,5) SEINE REDEN SIND LINDER ALS ÖL, UND DOCH SIND GERADE SIE WURFGESCHOSSE. (Ps 54,22) Deshalb pflegt er mit Schmeichelworten und unter der Vortäuschung von Tugenden die Reichen und Mächtigen anzulocken, nach jenem Wort: ER LIEGT IM HINTERHALT AUF DER LAUER, MIT DEN REICHEN, UM DEN UNSCHULDIGEN ZU TÖTEN. (Ps 9,29) Ist er sich erst einmal sicher, sich ihr Wohlwollen und ihre Freundschaft verschafft zu haben, dann werdet Ihr sehen, wie sich der Mensch offen gegen den Klerus erhebt und im Vertrauen auf die bewaffnete Tyrannis gerade gegen die Bischöfe erheben und überall gegen die ganze kirchliche Ordnung wüten wird. Wenn Ihr Euch dessen bewusst seid, dann wüsste ich nicht, ob Ihr in einer so sehr angespannten Lage der Dinge besser und heilsamer handeln könntet, als wenn Ihr nach dem Mahnwort des Apostels das Übel aus Euch herausreißt. Dem Freund des Bräutigams jedoch wird mehr daran liegen, ihn zu fesseln, als ihn zu vertreiben, damit er nicht mehr länger hin- und herlaufen und dadurch noch mehr Schaden anrichten kann. Diesen Auftrag hat nämlich auch der Herr Papst, der bis jetzt bei uns war, wegen des Bösen, das er über jenen immer wieder hörte, schriftlich festgehalten. Aber es fand sich keiner, der die gute Tat vollbrachte. Wenn schließlich die Schrift vernünftigerweise dazu mahnt, die Fuchswelpen zu fangen, die den Weingarten verwüsten (Hld 2,15), müsste dann nicht um viel mehr der große und wilde Wolf in Fesseln gelegt werden, damit er nicht in die Schafpferche Christi einbreche und die Schafe zerfleische und vernichte?
EPISTOLA CXCVI

AD GUIDONEM LEGATUM, DE EODEM.

Cavendum ei familiaritatem Arnaldi de Brixia, ne sub eius auctoritate securius errores suos disseminet.

l. Arnaldus de Brixia, cuius conversatio mel et doctrina venenum, cui caput columbae, cauda scorpionis est, quem Brixia evomuit, Roma exhorruit, Francia repulit, Germania abominatur, Italia non vult recipere, fertur esse vobiscum. Videte, quaeso, ne vestra auctoritate plus noceat. Nam cum et artem habeat et voluntatem nocendi, si accesserit favor vester, erit funiculus triplex, qui difficile rumpitur, supra modum, ut vereor, nociturus. Et unum existimo e duobus, - si tamen verum est quod vobiscum hominem habeatis -, aut minus scilicet notum vobis esse illum, aut vos, quod est credibilius, de eius correctione confidere. Et utinam id non frustra. Quis det de lapide hoc suscitare filium Abrahae? Quam gratum munus susciperet mater Ecclesia de manibus vestris vas in honorem, quod tamdiu passa est in contumeliam? Licet tentare; sed vir prudens cautus erit non transgredi praefinitum numerum ab Apostolo, qui ait: HAERETICUM HOMINEM POST UNAM ET SECUNDAM CORREPTIONEM DEVITA, SCIENS QUIA SUBVERSUS EST QUI EIUSMODI EST, ET DELINQUIT PROPRIO IUDICIO CONDEMNATUS. Alioquin familiarem habere et frequenter admittere ad colloquendum, ne dicam ad convivandum, suspicio favoris est, et inimici hominis fortis armatura. Secure annuntiabit et facile persuadebit quae volet domesticus et conturbernalis legati Apostolicae Sedis. Quis enim a latere domini Papae mali quippiam suspicetur? Sed et si in manifesto perversa loquitur, quis se facile opponere audeat vestro collaterali?

2. Deinde videtis qualia post se, ubicumque habitavit, reliquit vestigia. Non sine causa vigor apostolicus hominem Italia ortum transalpinare coegit, repatriare non patitur. Quis vero extraneorum, ad quos eiectus est, non eum omnimodis cuperet suis reddidisse? Et certe sic se habere ad omnes, ut omnibus odio habeatur, approbatio iudicii est quod portat, ne quis dicat subreptum fuisse domino Papae. Quale est ergo summi Pontificis suggillare sententiam, et illam sententiam cuius rectitudinem eius ipsius, in quem data est, etsi lingua dissimulat, vita clamat. Itaque favere huic, domino Papae contradicere est, etiam et Domino Deo. Per quemcumque enim iusta sententia iuste detur, ab illo certum est processisse qui loquitur in Propheta: EGO QUI LOQUOR IUSTITIAM. Confido autem de vestra prudentia et honestate, quia, visis his litteris, de veritate certus, non abducemini amodo quippiam assentire in hac re, nisi quod vos deceat et Ecclesiae Dei expediat, pro qua legatione fungimini. Diligimus vos, et ad vestrum obsequium parati sumus.
BRIEF 196

AN DEN LEGATEN GUIDO, ÜBER DENSELBEN.

Er solle sich vor einer Freundschaft mit Arnold von Brescia hüten, damit dieser nicht unter seiner Autorität des Legaten umso sicherer seine Irrtümer verbreite.

Arnold von Brescia, dessen Rede Honig und dessen Lehre Gift ist, der den Kopf einer Taube und den Schwanz eines Skorpions hat, den Brescia ausgespieen, Rom verabscheut und Frankreich vertrieben hat, den Deutschland verwünscht und Italien nicht aufnehmen will, soll sich bei Euch aufhalten. Seht bitte zu, dass er nicht mittels Eures Einflusses noch mehr schadet! Da er nämlich die Fähigkeit und den Willen zu schaden hat, wird - so fürchte ich -, wenn Eure Gunst hinzukommt, der dreifache Strick, der nur schwer zerrissen wird, über die Maßen schaden. Es gibt schätzungsweise eine von zwei Möglichkeiten, wenn es wahr ist, dass Ihr den Menschen bei Euch habt: Entweder ist Euch jener zu wenig bekannt, oder - was eher zu glauben ist - Ihr vertraut auf seine Verbesserung. Oh wenn dies doch nicht vergeblich ist! Wer vermöchte aus diesem Stein einen Sohn Abrahams zu erwecken? (Mt 3,9) Wie willkommen empfinge die Mutter Kirche aus Euren Händen als Geschenk dieses Gefäß zur Ehre, das sie so lange als Gefäß zur Schmach ertragen hat! Ein Versuch ist erlaubt, aber ein kluger Mann wird sich vorsehen, die vom Apostel bestimmte Zahl nicht zu überschreiten, der sagt: MEIDE EINEN HÄRETIKER NACH DER ERSTEN UND ZWEITEN ERMAHNUNG - WOHL WISSEND, DASS EIN SOLCHER MENSCH AUF DEM VERKEHRTEN WEG IST. ER SÜNDIGT, DURCH EIGENES URTEIL VERDAMMT. (Tit 3,10). Mit ihm auf vertrautem Fuße zu stehen, sich häufig mit ihm auf ein Gespräch einzulassen, um nicht zu sagen, ihn zum Tischgenossen zu machen, riecht nach Begünstigung: für einen feindlichen Menschen fürwahr eine starke Waffe. Der Hausgenosse und Tischfreund eines Legaten des Apostolischen Stuhles wird unbehelligt verkünden, was er will, und leicht überzeugen können. Denn wer könnte von Seiten des Herrn Papstes etwas Schlechtes argwöhnen? Selbst wenn er offensichtlich Verkehrtes spricht, wer würde es leicht wagen, sich Eurem Günstling zu widersetzen?

2. Dann seht Ihr, welche Spuren er überall, wo immer er wohnte, hinterließ. Nicht ohne Grund hat die apostolische Macht den gebürtigen Italiener gezwungen, sich über die Alpen zu machen, und lässt ihn nicht in die Heimat zurückkehren. Aber wer von den Ausländern, zu denen er hinausgeworfen wurde, möchte ihn nicht um jeden Preis den Seinen zurückgeben? Die Tatsache, dass er sich bei allen so verhasst macht, bestätigt sicherlich das Urteil, das er trägt, damit niemand sagt, es sei dem Herrn Papst entrissen worden. Wie kann man also den Spruch des obersten Pontifex verletzen, einen Spruch, dessen Berechtigung der Lebensstil dessen laut verkündet, gegen den er verhängt worden ist, auch wenn seine Zunge heuchelt? Diesem Menschen gewogen zu sein bedeutet deshalb, dem Herrn Papst zu widersprechen, aber auch Gott, dem Herrn. Denn durch wen auch immer ein gerechtes Urteil gerecht gefällt wird - es geht gewiss von dem aus, der im Prophetenwort spricht: ICH, DER ICH GERECHTIGKEIT SPRECHE. (Jes 63,1) Ich vertraue aber auf Eure Klugheit und Ehre, dass Ihr Euch nach Einsichtnahme dieses Briefes - wenn Ihr Euch seines Wahrheitsgehaltes versichert -, von nun an nicht abbringen lasst, in dieser Angelegenheit nur dem Zustimmung zu erteilen, was sich für Euch schickt und der Kirche förderlich ist, für die Ihr die Legatenwürde wahrnehmt. Wir lieben Euch und stehen Euch zur Verfügung.

 


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