Sequenzen aus der Feder Peter Abaelards?

 

Duo autem, fateor, tibi specialiter inerant quibus feminarum quarumlibet animos statim allicere poteras, dictandi videlicet et cantandi gratia, que ceteros minime philosophos assequutos esse novimus. Quibus quidem, quasi ludo quodam laborem exercitii recreans philosophici, pleraque amatorio metro vel rithmo composita reliquisti carmina, que pre nimia suavitate tam dictaminis quam cantus sepius frequentata tuum in ore omnium nomen incessanter tenebant, ut illiteratos etiam melodie dulcedo tui non sineret immemores esse; atque hinc maxime in amorem tui femine suspirabant. Et cum horum pars maxima carminum nostros decantaret amores, multis me regionibus brevi tempore nunciavit et multarum in me feminarum accendit invidiam...

Zweierlei - ich gestehe es - war es vor allem, womit du die Herzen aller Frauen sofort gewinnen konntest: eine Ausstrahlungskraft der Dichtung und des Gesanges, die, wie ich weiß, die übrigen Philosophen am allerwenigsten erreicht haben. Bei ihr erholtest du dich wie bei einem Spiel von der Anstrengung deiner geistigen Arbeit, und eine ganze Anzahl von Gedichten und Liebesweisen, metrisch oder rhythmisch gebunden, hast du hinterlassen, die - wegen der besonderen Süße ihres Wortlauts und ihrer Melodie oft und viel gesungen - deinen Namen in aller Munde lebendig erhielten. Schon die Anmut deiner Weisen ließ auch ungebildete Leute dich nicht vergessen. Und daher vor allem seufzten die Frauen in Liebe zur dir. Die große Mehrzahl dieser Gedichte besang unsere Liebe, und so klang mein Name in kurzem weit hinaus in die Lande und weckte in vielen Frauen die Eifersucht...

Heloisa an Abaelard, Brief 2: Heloyse sue ad ipsum deprecatoria, z. B. in: Hicks, La vie et les epistres Pierres Abaelart et Heloys sa dame, Paris, 1991, Seite 51.

Libello quodam hymnorum vel sequentiarum a me nuper precibus tuis consummato, veneranda in Christo et amanda soror Heloissa...

Das Buch der Hymnen und Sequenzen, in Christo verehrte und geliebte Schwester Heloïsa, habe ich jüngst auf Deine Bitten vollendet... 

Abaelard an Heloïsa, Begleitbrief für die Predigtsammlung des Paraclet, z.B. in: Cousin, V., Petri Abaelardi Opera Omnia,  Paris 1849, Band 1, Seite 350.

Obwohl Peter Abaelard Heloïsa brieflich darüber informiert hatte, dass er für sie ein Buch der Hymnen und Sequenzen verfasst habe, ließ sich in den aufgefundenen Manuskripten, Hymnarien und Liedsammlungen keine Sequenz oder Melodie finden, die Peter Abaelard eindeutig als Verfasser ausgewiesen hätte - mit einer einzigen Ausnahme: Abaelards Bearbeitung von Psalm 26 - das Responsorium Ne derelinquas me findet sich in seiner typischen Form in einem Brief an Heloisa: Brief 3 Dilectissime sorori sue in Christo, z. B. in: Hicks, E., La vie et les epistres Pierres Abaelart et Heloys sa dame, Paris, 1991, Seite 58f. Das von Abaelard oben erwähnte Büchlein der Hymen und Sequenzen dürfte mit hoher Wahrscheinlichkeit dem Hymnarius Paraclitensis entsprochen haben - erhalten in einigen mittelalterlichen Manuskripten. Dieser Hymnenschatz von immerhin 133 Gesängen zu nahezu allen Anlässen des Kirchenjahres findet sich innerhalb dieser Seiten an anderer Stelle: Gesamtwerk/Lyrik/Hymnarius Paraclitensis. Sequenzen im eigentlichen musikhistorischen Sinn des Wortes weist er nicht aus; da der Verfasser von einem Büchlein gesprochen hatte, darf mit Recht bezweifelt werden, ob Abaelard einen weiteren Codex mit Sequenzen überhaupt schriftlich kompiliert hat. Heloïsa wiederum sprach in einem ihrer Briefe davon, dass die Gesänge Abaelards in aller Munde gewesen seien. Keines von diesen Liedern - meist Liebeslieder für Heloïsa - hat die Zeiten namentlich überdauert. Um Sequenzen mit theologischen Inhalten dürfte es sich dabei nicht gehandelt haben, denn Heloïsa hatte sich in ihren Anmerkungen über Abaelards Kompositionskunst recht eindeutig auf die Zeit vor seiner Konversion bezogen.

Somit bleibt dahingestellt, ob es sich bei den folgenden Liedern - von dem Responsorium Ne derelinquas me einmal abgesehen - überhaupt um Werke Abaelards handelt. Zumindest bei dreien davon ist dies jedoch mit einigermaßen plausiblen Argumenten untermauert: Epithalamica, Virgines caste und De profundis. Die mögliche Urheberschaft Peter Abaelards erstmalig erkannt zu haben, ist das Verdienst des Trappistenpaters Chrysogonus Waddell von der Gethsemani Abbey in Kentucky. Über seine Entdeckung berichtete der Pater zusammen mit Mary Berry, einer Expertin der Gregorianik:

Dier Manuskripte der Abtei des Paraklet schlossen ein altfranzösisches liturgisches Verzeichnis aus dem späten 13. Jahrhundert ein: Paris, Bibliothèque Nationale 14410, welches zahlreiche Hinweise auf liturgische Sequenzen enthielt. Da Abaelard persönlich einst Bezug genommen hatte auf eine Sammlung dieser Sequenzen, die er Heloïsa und ihren Schwestern zusammen mit einer Sammlung von Hymnen geschickt hatte - war es nun möglich, dass die Sequenzvermerke in diesem altfranzösischen Verzeichnis auf einige der verlorenen Sequenzen von Abaelard Bezug nahmen? Ein sorgfältiges Studium dieses Repertoires von ca. 60 Sequenzen, von denen ein halbes Dutzend unidentifizierbar blieben, brachte eine Gruppe von drei Werken ans Licht, die wegen ihrer textlichen Übereinstimmungen mit Abaelards Hymnen, Predigten und Briefen bemerkenswert waren. Die strophischen Formen und die eigenartigen Rhythmus-Schemata waren die von Abaelards Hymnen. Die Kompositionstechniken, die Ähnlichkeit von vielen melodischen Einschnitten und die Behandlung von Akzenten und Wortendungen in Bezug auf die Melodie - all dies wies auf einen einzigen Verfasser hin. Auch kann es kaum Zufall gewesen sein, dass diese drei Sequenzen in Verbindung mit dem oben erwähnten Prosarium von Nevers und in unmittelbarer Nebeneinanderstellung mit Abaelards Planctus für Saul und Jonathan aufgefunden wurden. Die weitere Forschung ergab die Identifizierung von zahlreichen Manuskripten und sogar Druckvorlagen sowohl für Texte als auch für Melodien - der endgültige Beweis, dass wenigstens ein paar von Abaelards Sequenzen ihren Weg - wenngleich in anonymer Form - in die Liturgiebücher von Frankreich, der Schweiz und sogar Deutschland gefunden haben... Zwei von seinen erst kürzlich identifizierten Sequenzen, die er für den Paraklet geschrieben hat, sind seine Ostersequenz Epithalamica und seine Sequenz für den Tod De profundis. Die Epithalamica, die stark vom Lied der Lieder inspiriert wurde, sieht das Drama der Wiederauferstehung neu im Leben einer Nonne des Paraklet verwirklicht, die als Braut Christi auf die Wiederkehr des Bräutigams aus dem Grabe wartet. De profundis ist von besonderer musikalischer Bedeutung, da es unterschiedliche Abschnitte der diatonischen Tonleiter benutzt. Es bewegt sich schrittweise von den absteigenden Phrasen der Klage in Modus 2 zu der Hoffnung und Heiterkeit, die von den ansteigenden Phrasen vermittelt werden, die der Komponist für das Ende in Modus 8 wählte....

12th-Century Chant, Abelard: Hymns and sequences for Heloise, Schola Gregoriana of Cambridge and Winchester Cathedral Choristers, CD 1995, Einleitungstext von Frater Chrysogonus Waddell, OCSO and Mary Berry, deutsche Übersetzung

Bei drei weiteren frühmittelalterlichen Sequenzen, die sich im Anhang finden, ist die Urheberschaft noch weniger gesichert als bei den bislang erwähnten. Dennoch werden auch sie bisweilen mit Peter Abaelard in Verbindung  gebracht. Weite Verbreitung erfuhr der wunderschöne, aber eben leider ebenfalls anonyme Schwanengesang. Das Suscipe me wiederum war ein Gesang, der bei der ewigen Profess von Mönchen und Nonnen zur Anwendung kam.

 

 Ne derelinquas me - Verlasse mich nicht

Ne derelinquas me, Domine
Pater et dominator vitae meae,
ut non corruam in conspectu
adversariorum meorum;
ne gaudeat de me inimicus meus.

Apprehende arma et scutum,
et exsurge in adiutorium mihi.
Ne gaudeat... V Salvum fac servum tuum.

R Deus meus, sperantem in te. V Mitte ei, Domine, auxilium de sancto.

R Et de Sion tuere eum. V Esto ei, Domine, turris fortitudinis.

R A facie inimici. V Domine exaudi orationem meam.

R Et clamor meus ad te veniat. Oremus. Deus, qui per servum tuum ancillulas tuas in nomine tuo dignatus es aggregare, te quaesumus, ut eum ab omni adversitate protegas, et ancillis
tuis incolumen reddas.

Per Dominum nostrum lesum
Christum Filium tuum, qui
tecum vivit et regnat in unitate
Spiritus sancti Deus, per omnis
saecula saecuIorum. Amen.

Verlass mich nicht, oh Herr,
Vater und Lenker meines Lebens,
damit ich nicht zusammenbreche im
Anblick meiner Gegner; Und mein Feind
soll nicht über mich triumphieren!

Ergreife die Waffen und den Schild,
und erhebe Dich mir zur Hilfe!
Und mein Feind... V Rette Deinen Diener.

R Mein Gott, ich hoffe auf Dich. V Schicke ihm, oh Herr, Hilfe Vom Himmel.

R Und von Zion herab schütze ihn. V Du mögest, oh Herr, im ein Bollwerk der Stärke sein.

R Im Angesicht des Feindes. V Oh Herr, erhöre meine Bitte.

R Und mein Rufen dringe bis zu Dir. Lasset uns beten. Herr, der Du durch Deinen Knecht
Deine Mägdlein für würdig befunden hast, sich im Deinem Namen zu versammeln, wir bitten Dich, dass Du ihn vor allen Unbilden schützest und ihn
Deinen Mägden heil wiedergibst.

Durch unseren Herrn Jesus Christus,
Deinen Sohn, der mit Dir lebt
und herrscht in der Einheit des
Heiligen Geistes. Gott, von Ewigkeit
zu Ewigkeit. Amen.

 

Epithalamica - Brautgesang

Wechselgesang zwischen Braut und Bräutigam und dem Chor der Jungfrauen, nach Motiven des Hohen Lieds der Liebe, verfasst als Ostersequenz. Manuskripte: Paris BN n.a.l. 3126, 1170/1175 aus Nevers; Le Puy, Bibliothèque du Grand Séminaire, Prosolarium Ecclesiae Anicensis, 12. Jhd.; Vic, Museum Episcopal MS 105, 12./13. Jhd.; Paris BN lat. 1059, 15 Jhd., aus Béziers.

Epithalamica
dic, Sponsa, cantica,
intus quae conspicis
dic foris gaudia,
et nos laetificans,
de Sponso nuntia
cuius te refovet
semper praesentia.

Adulescentulae
vos chorum ducite,
cum haec praecinerit,
et vos succinite.
Amici Sponsi vos
vocarunt nuptiae,
et novae modulos
optamus Dominae.
In montibus hic ecce saliens
ecce venit, colles transiliens;
per fenestras ad me respiciens
per cancellos dicit, prospiciens:
Amica, surge, propera!
columba nitens, advola!
Horrens enim hiems iam transiit
gravis imber recedens abiit;
ver amœnum terras aperuit;
parent flores, et turtur cecinit:
Amica, surge, propera;!
columba nitens, advola! Rex in accubitum
iam se contulerat,
et mea redolens
nardus spiraverat;
in hortum veneram,
in quem descenderat,
at ille transiens
iam declinaverat.

Per noctem igitur
hunc quaerens exeo:
huc, illuc, anxia
quaerendo cursito;
occurrunt vigiles;
ardenti studio,
quos cum transierim,
Sponsum invenio. Iam video quod optaveram,
iam teneo quod amaveram;
iam rideo quae sic fleveram,
plus gaudeo quam dolueram:

Risi mane, flevi nocte;
mane risi, nocte flevi. Noctem insomnem dolor duxerat
quem vehementem amor fecerat;
dilatione votum creverat,
donec amantem amans visitat.

Plausus die, planctus nocte,
die plausus, nocte planctus. Eia nunc, comites,
et Sion filiae,
ad Sponsae cantica
psalmum adnectite,
quo maestis reddita
Sponsi praesentia, convertit elegos
nostros in cantica!

Quam fecit Dominus
haec est dies!
Quam expectavimus
haec est dies!
Qua vere risimus
haec est dies!
Quae nos eripuit
haec est dies!
Hostes quae subruit
haec est dies!
Quam psalmus praecinit
haec est dies!/I>
Quae Sponsum suscitat
haec est dies!
Quae Sponsam suscitat
haec est dies!
Quae cuncta reparat
haec est dies!
Veris amoenitas
haec est dies!
Mundi iucunditas
haec est dies!
Vitaeque novitas
haec est dies!
Quam fecit Dominus!

Amen.

Stimme an den
Brautgesang, Verlobte!
Und die innerliche Freude
verkünde laut!
Mach uns froh durch
Kunde von Deinem Verlobten,
dessen Gegenwart dich immer
von neuem erwärmt!

Ihr jungen Mädchen,
führt den Reigen,
und stimmet ein in den
Gesang, den sie begann.
Die Freunde des Bräutigams haben euch
zum Hochzeitsfest geladen,
und ein Lied von der neuen
Herrin wünschen wir!
Seht, wie er von den Bergen,
in Riesensprüngen kommt;
durch die Fenster blickt er zu mir herein,
durch die Gitter spricht er in Vorhersicht:
Steh auf, Freundin, und eile!
Weiße Taube, fliege herbei!
Denn der schreckliche Winter ist vorüber
und der heftige Regen hat nachgelassen;
der liebliche Frühling hat das Land geöffnet,
die Blumen blühen und die Turteltaube gurrt:
Steh auf, Freundin, und eile!
Weiße Taube, fliege herbei! Der König hatte sich schon
zum Festbankett begeben,
und meine duftende Narde
war verströmt;
in den Garten war ich gekommen,
in welchen er hinabgestiegen war,
doch jener im Vorübergehen
hatte den Weg verfehlt.

So gehe ich hinaus und suche
Ihn die Nacht hindurch:
Mal hier, mal da, und voller Angst,
beim Suchen laufe ich umher;
Die Wächter begegnen mir;
doch in brennendem Eifer
lasse ich sie zurück:
Den künftigen Gemahl, ich finde ihn! Schon sehe ich, was ich erwünscht hatte,
schon halte ich den Geliebten im Arm,
schon lache ich, worüber ich so geweint hatte,
die Freude ist größer als der Schmerz!

Gelacht habe ich morgens, geweint habe ich nachts:
Morgens habe ich gelacht, nachts habe ich geweint. Die Nacht hatte der Schmerz schlaflos gemacht,
heftig war er aus Liebe geworden;
durch die Verfehlung war das Verlangen gewachsen,
bis die Liebende den Liebenden erblickt.

Freude am Tag und Klagen in der Nacht,
am Tag Freude und in der Nacht Klagen. Auf jetzt, Gefährtinnen
und Töchter Zions!
Fügt dem Gesang der Braut
den Psalm hinzu,
in dem entgegen aller Trauer
die erneute Gegenwart des Bräutigams
unsere Trauerlieder in Freudengesänge verwandelt!

Der Herr hat ihn geschaffen!
Dies ist der Tag!
Ihn haben wir erwartet!
Dies ist der Tag!
An ihm haben wir aufrichtig gelacht!
Dies ist der Tag!
Er hat uns entrissen!
Dies ist der Tag!
Die Feinde hat er umgestürzt!
Dies ist der Tag!
Ihn hat der Psalm verkündet!
Dies ist der Tag!
Er hat den Brautgemahl auferweckt!
Dies ist der Tag!
Er hat die Braut auferweckt!
Dies ist der Tag!
Er schafft alles neu!
Dies ist der Tag!
Liebreiz für die Wahren!
Dies ist der Tag!
Freude für die Welt!
Dies ist der Tag!
Und ein neues Leben!
Dies ist der Tag!
Ihn hat der Herr erschaffen! Amen.

 

Virgines caste - Keusche Jungfrauen

Sequenz über den Chor der Jungfrauen, die Christus nachfolgen. Der Text ist in folgenden Manuskripten erhalten: Paris BN n.a.l. 3126, 1170/1175, aus Nevers; Stuttgart Landesbibliothek HB I asc. 95, 12. Jhd.; Karlsruhe, Badische Landesbibliothek, Blasien 102, 13. Jhd.; Sankt Gal-len Stiftsbibliothek 383, 13. Jhd., 546, 15. Jhd.; Sittin, Archives du Chapitre de Sion 29, 13. Jhd., 48, 14. Jhd., 78, 16. Jhd.; Limoges BM 2, 13. Jhd.; Fribourg, Kapitelsarchiv Sankt Nikolaus 14, 16. Jhd., 16, 16. Jhd.; Fribourg Bibl. cantonale et universitaire MS L 292, 14. Jhd., MS L 536, 15. Jhd., aus Sittin; Douai BM 124, 15./16. Jhd. aus Aix.

Virgines caste
virginis summe
decus precinentes

Ceteras quoque
condignas laude
post hanc venerantes

Psalmis et hymnis
canticis dignis
sibi colloquentes

Solvant in istis
debite laudis
hostias sollempnes

Hec est a dextris
assistens regis
illa regina

Juncto latere
sola cum rege
precedit ipsa

Aurata veste
varietate
circum amicta

Tanquam dominam
sequitur ipsam
queque beata

Post eam adducte
virgines devote
regi sunt oblate
christo consecrate

Talis erat Tecla
Agnes et Lucia
Agathes et multa
virginum caterva

Filie Tiri
munera ferentes
Et in his regis
vultum deprecantes
Hostias habent
cunctis puriores
Corpore munde
corde sanctiores

Holocaustum Domino
offerunt ex integro
virgines carne
integre mente
inmortalem sponsum
eligentes christum

0 felices nuptie
quibus nulle macule
nulli dolores
partus sunt graves
nee pelex timenda
nec nutrix molesta

Lectulos harum
christo vacantes
angeli vallant
custodientes
ne quis incestus
temeret illos
ensibus strictis
arcent in mundos

Dormit in istis
christus cum illis
felix hic sompnus
requies dulcis
quo confovetur
virgo fidelis
inter amplexus
sponsi celestis

Dextera sponsi
sponsa complexa
capiti leva
dormit submissa
pervigil corde
corpore dormit
et sponsi grato
sinu quiescit

Aprobans sompnum
sponsus beatum
inquietari
prohibet illum
Ne suscitetis
inquit delictam
dum ipsa volet
ita quietam.

Hic ecclesiastici
flos est ille germinis
tam rosis quam liliis
multiplex innumeris
quorum est fragranciis
ager sponsi nobilis
naribus et oculis
eque delectabilis

Ornate tam bissina
veste quam purpurea
leva tenent lilia
rosas habent dextera
et corona gemina
redimite capita
agni sine macula
percurrunt itinera
Hic quoque floribus
semper recentibus
sanctorum intexta
capitum sunt serta
Hic agnus pascitur
atque reficitur
hi flores electa
sunt illius esca

Hie choro talium
vallatus agminum
hortorum amena
discurrit hac illac
Qui nunc comprehensus
ab his nunc elapsus
quasi quadam fuga
petulans exultat

Crebros saltus dat hic agnus
inter illas discurrendo
Et cum ipsis requiescit
fervore meridiano

In earum pectore
cubat in meridie
Inter mammas virginum
collocat cubiculum

Virgo quippe cum sit ipse
virgineque matre natus
Virginales super omnes
amat et querit recessus

Sompnus illi placidus
in castis est sinibus
Ne qua forte macula
sua redet vellera

Hoc attende canticum
devotarum virginum
insigne collegium

Quo nostra devocio
majore se studio
templum ornet domino

Keusche Jungfrauen,
die Lieder singen, würdig der
allerhöchsten Jungfrau!

Es singen auch andere
hehre Wesen ihr Lob,
erweisen ihr angemessene Verehrung

mit Psalmen und Hymnen
und Lobgesängen
die sie ihr singen.

Wie sich gebührt, bringen sie
in diesen Lobliedern
ihre feierlichen Dankopfer dar.

Sie hat ihren Platz
als Königin an der rechten
Seite des Königs eingenommen.

Voller Freude ihm zugesellt
schreitet sie allein
mit dem König voran

in Gold gekleidet,
verschleiert in den
Farben des Regenbogens,

so wie die heilige Magd
ihrer eigenen
Herrin folgt.

Nachdem man ihr die
heiligen Jungfrauen zugeführt hat,
werden sie dem König dargebracht
und Christus geweiht.

Solch eine war Thekla,
zusammen mit Agnes und Luzia,
Agathe und eine große Schar
von Jungfrauen.

Töchter aus Tyrus,
die Gaben tragend,
und vor diesem König
ihre Augen niederschlagend
bringen sie Opfer,
die reiner sind als alles andere,
und trotz ihrer irdischen Körper
sind ihre Herzen viel heiliger.

Vereint bringen sie
dem Herrn das Brandopfer dar.
Jungfrauen im Fleische
beständig im Geist,
versprechen sie sich Christus,
dem unsterblichen Bräutigam.

0 glückliche Hochzeit,
bei der kein Makel,
keine Traurigkeit
schreckliche Dinge hervorbringt
Auch braucht sie keine Konkubine,
keine lästige Schwiegermutter zu fürchten!

Schutzengel
umstehen ihre Betten,
damit nicht
gottlose Männer
sie schänden.
Mit gezogenem Schwert
schützen sie sie
vor der Welt.

Christus schläft
mit ihnen, glücklich
im Schlummer,
in süßer Ruhe,
und die treue Jungfrau
wärmt
in ihrer Umarmung
den himmlischen Bräutigam.

Vom Bräutigam umarmt,
schläft die Braut
an seiner rechten Seite
und ergibt sich sanft
ihrem Hirten.
obwohl ihr Herz wachsam ist,
schläft ihr Körper und findet Ruhe
in den wunderbaren Armen des Bräutigams.

Froh, sie schlafen zu sehen,
verhindert der Bräutigam
jegliche Störung
dieser heiligen Ruhe.
Weckt sie nicht auf, sagt er,
aus diesem schönen Schlaf,
bis zu der Zeit,
wo sie es selbst wünscht.

Diese Blume ist
die Saat der Kirche
eher wie Rosen denn wie Lilien
vermehrt sie sich ins Unendliche.
Von ihnen duftet das Feld
des edlen Bräutigams,
gleichermaßen köstlich
für Nase und Auge.

Geschmückt mit feinem Linnen
und königlichem Purpur,
tragen sie Lilien in ihrer linken Hand,
und in ihrer rechten halten sie Rosen.
Schmückt ihr Haupt mit einer mit
Juwelen besetzten Krone.
Lämmer in reinem Weiß
spielen auf ihrem Pfad.
Auch hier schmücken
aus den Blumen der Heiligen
geflochtene, ewig blühende
Kronen ihre Häupter.
Hier wird ein Lamm auf die Weide
geführt und umsorgt,
hier sind die erwählten
Blumen seine Weide.

Umgeben von einer solchen
Schar im Tanz,
rennt es hierhin und dorthin
zu den schönsten
Stellen des Gartens.
Eins, welches gerade eingefangen wurde,
ist ihnen nun entschlüpft und
freut sich fast lüstern auf die bevorstehende Hetzjagd.

Das Lamm springt wieder und wieder hoch,
läuft zwischen ihnen hin und her
und mit ihnen entflieht es
der brütenden Mittagshitze.

Auf ihren Busen zieht es sich
um die Mittagszeit zurück,
zwischen den Brüsten des Mädchens
legt es sich zum Schlafen nieder,

eine Jungfrau fürwahr, denn er selbst wird
von einer jungfräulichen Mutter geboren werden.
Er liebt sie mehr als alle jungfräulichen Heiligen
und sie fehlt ihm, wenn er fort ist.

Ruhigen Schlaf findet er
in der reinen Beuge ihres Arms,
wo kein Fleck die reine weiße
Wolle verschmutzen könnte.

Hört nun das Lied
von den geweihten Jungfrauen,
das Zeichen ihres Schwesternordens,

damit könnte unsere Hingabe
an den Herrn dessen Tempel
mit mindestens halb so viel Duft verschönern.

 

De profundis - Aus der Tiefe

Manuskripte: Paris BN n.a.l. 3126, 12. Jhd., aus Nevers; Troyes BM 721, 12. Jhd.; Sittin, Archives du Chapitre de Sion 49, 13. Jhd.; Le Mans BM 223, 15. Jhd., aus Nantes, zitiert im Ordinale Paraclitensis Paris BN 14410.
De profundis ad te clamantium,
pie Deus, exaudi gemitum,
nec mensuram observes criminum,
ut perferri possit iudicium,
pie Deus.

lesu bone, comple quod diceris,
ne sit in re vox cassa nominis
te presertim cum ipse dixeris
pro salvandis venisse miseris,
lesu bone. Consolator dolentis anime,
ac mestorum vere Paraclite,
quod promittis et ex hoc nomine
ne differas complere, Domine,
pie Deus.

Fletu Petri trina negacio
est deleta tam brevi spacio,
et latronis sera confessio
paradisi potita gaudio,
lesu bone. Sumus quidem peccatores
sed te tamen non negantes;
peccatores licet simus
te confessi semper sumus.

Confitentes nomen Christi
ex quo sumus insigniti,
Christianos ex re quoque
gaudeamus nos fuisse. Non nobis, Christe, non nobis,
sed nomini tuo dabis
gloriam, nostri misertus
a quo nuncupati sumus.

Nomen tuum, quod unguentum
sanat in nobis effusum,
post infusum vinum plagis
fit fomentum lenitatis. Ad medendum, contritis animo
descendisti patris imperio.
Sicut liquet, non necessarium
sanis esse, dixisti, medicum.

Penitentum ecce contritio,
infirmorum et supplicatio.
Ubi maior urget anxietas
maior opis inest necessitas. Quod si nos minus respicis,
audi matrem pro filiis;
prosint preces ecclesie,
quod non merentur singule.

Illa mater, tu pater es;
illa sponsa, tu sponsus es;
huius preces si respuis,
cunctos extra spem deseris. Matris attende merita;
patris in te sint viscera,
sicut ille de prodigo
sermo promittit filio.

Ibi fratris susceptio
fratris est indignatio;
hic sunt fratres pro fratribus
in hostiis et precibus. Ve, ve nobis miseris
sero penitentibus
et de negligenciis
tarde iam gementibus.
Heu, heu, Domine,
quid creati fuimus
si sit indulgentie
nobis clausus aditus?

Si nos, Pater, abicis,
quis est qui subveniat?
aut si nos persequeris,
quis est qui suscipiat? Miseretur filiis
pater post flagicia;
nemo tibi similis
in misericordia.

Miserere, miserere,
miserere nostri,
summe Pater, summi Patris
Spiritus et Fili. Advocatus apud Patrem
noster adsis, Christe.
Postulator et pro nobis,
Spiritus, adsiste.

Ad hoc ambo missi mundo
fuistis a Patre:
missionis in hoc vestre
summam nunc implete. Collocate in supernis
sint defuncte iste;
nil in penis aut tormentis
patiantur triste.

Erhöre, guter Gott, das Seufzen
der aus der Tiefe zu Dir Rufenden,
und achte nicht auf das Maß ihrer Verfehlungen
damit Dein Richterspruch getragen werden kann,
guter Gott!

Guter Jesus, erfülle, was man von Dir sagt,
damit der Ruf Deines Namens nicht umsonst sei,
da ja, wie Du selbst gesagt hast, Du gekommen seiest,
zu erretten die Armen,
guter Jesus! Oh Tröster der schmerzenden Seele,
du Paraklet der Trauernden,
was Du versprichst aus diesem Namen,
schiebe nicht auf, es zu erfüllen,
guter Gott!

Durch das Weinen des Petrus ist die dreifache Verleumdung in so kurzer Zeit vergeben worden
und die späte Beichte der Räubers
hat ihm die Freude des Paradieses verschafft,
guter Jesus. Zwar sind wir Sünder,
doch wir leugnen Dich nicht ab.
Mögen wir auch Sünder sein,
wir haben uns immer zu Dir bekannt.

Wenn wir den Namen Christi bekennen,
mit dem wir gezeichnet sind,
so freuen wir uns, dass wir auch
der Sache nach Christen gewesen sind Nicht uns, Christus, nicht uns,
sondern deinem Namen gibst Du
Ruhm, wenn Du Dich unser erbarmst,
die wir Deinen Namen tragen.

Dein Name ist wie eine Salbe, die
in uns ausgegossen Heilung bringt,
wie der Wein, der ausgegossen wird
um die Wunden lindernd zu wärmen. Um die seelisch Mitgenommenen zu heilen,
bist Du auf Geheiß des Vaters herabgestiegen,
Denn es ist klar, – Du hast es selbst gesagt –
Gesunde brauchen keinen Arzt.

Siehe die Zerknirschung der Büßer
Und das Flehen der Schwachen,
Wo größere Sorge drängt,
ist auch größere Hilfe nötig. Doch wenn du weniger auf uns achtest,
höre die Mutter für die Söhne;
die Bitten der Kirche mögen von Nutzen sein
wenn der Einzelne nichts verdient.

Jene ist die Mutter, Du bist der Vater,
jene die Braut, Du der Bräutigam;
wenn Du dieser Bitten Dich versperrst,
lässt Du alle in Hoffnungslosigkeit zurück. Beachte die Verdienste der Mutter.
Mögen die innersten Gefühle eines Vaters
in Dir sein, wie jene Geschichte
vom verlorenen Sohn erzählt.

Dort ist die Aufnahme des einen Bruders
Grund der Empörung für den anderen Bruder.
Hier legen Brüder für die Brüder Fürsprache ein,
durch Opfer und Bitten. Wehe, wehe uns Elenden,
die wir zu spät bereuen,
und über unsere Säumigkeit
sehr spät erst seufzen.
Oh Herr, wozu
sind wir erschaffen worden,
wenn uns der Zugang zur Vergebung
verschlossen bleibt?

Wenn Du uns, Vater, verstößt,
wer kann uns dann noch helfen?
Oder wenn du uns verfolgst,
wer nimmt uns dann noch auf? Mitleid für die Söhne
Hegt der Vater nach der Übeltat.
Niemand ist dir gleich
Im Mitleid.

Erbarme Dich, erbarme Dich,
erbarme Dich unser,
höchster Vater, des höchsten Vaters
Geist und Sohn! Hilf uns als Beistand
bei dem Vater, Christus.
Bitte für uns, oh Heiliger Geist,
und stehe uns bei!

Dazu seid Ihr beide in die Welt
vom Vater geschickt worden,
erfüllt hierin nun
den Zweck Eurer Mission Versammelt bei Euch im Himmel
diese verstorbenen Schwestern;
nichts Trauriges sollen sie
in Pein und Qual erdulden!

 

Suscipe me - Nimm mich auf

Suscipe me, Domine.
secundum eloquium tuum.
et vivam;

et non confundas me
ab exspectatione mea. Gloria Patri et Filio,
et Spiritui Sancto.
Sicut erat in principio,
et nunc, et semper,
et in saecula saeculorum.

Amen.

Nimm mich auf, oh Herr,
gemäß Deinem Wort,
und ich werde leben!

Und beraube mich nicht
meiner Hoffnung! Ehre sei dem Vater und Sohn
Und dem Heiligen Geiste.
Wie er war im Anfang,
so auch jetzt
und in alle Ewigkeit.

Amen.

 

Sancta Maria Magdalena

Magnum salutis gaudium.
Ietetur omne seculum,
lesus redemptor gentium
sanavit orbem languidum.

Sex ante pasche ferias
advenit in Bethaniam,
ubi pie post triduum
resuscitavit Lazarum. Nardi Maria pistici
sumpsit libram mox optimi,
unxit beatos Domini
pedes rigando lacrimis.

Honor, decus, imperium
sit Trinitati unice:
Patri, Nato, Paraclito
per infinita secula. Amen.

Große Freude herrscht über die Rettung,
es freut sich die ganze Welt.
Jesus, der Erlöser der Völker
hat den ermatteten Erdkreis gerettet.

Sechs Tage vor dem Paschafest
ist er nach Bethanien gekommen,
wo er fromm am vierten Tag
Lazarus wiedererweckt hat. Maria hat ein Pfund besten
gemahlenen Nardenöls genommen,
hat die Glücklichen des Herrn gesalbt
und mit Tränen ihre Füße benetzt.

Ehre, Zierde, Macht
sei dem einen und dreifaltigen Gott,
dem Vater, Sohn, dem Tröster-Geist
in alle Ewigkeit. Amen.

 

Planctus cigne - Das Klagelied des Schwans

Clangam filii,
ploratione una alitis cigne,

qui transfretavit equora.
0 quam amara lamentabatur,
arida se dereliquisse florigera

et petisse alta maria ajens,
Infelix sum avicula,
heu mihi,
quid agam misera
Pennis soluta inniti lucida
non potero hic in stilla.

Undis quatior,
procellis hic intense alidor exulata.

Angor inter arta gurgitum cacumina
gemens alatizo intuens
mortifera non conscendens supera.

Cernens copiosa piscium legumina,
non queo in densos gurgites
assumere alimenta optima.

Ortus, occasus, plage poli,
administrate lucida sidera sufflagitate
Oriona,
efflagitantes nubes occiduas
Dum hec cogitaret tacita,
venit rutila adminicula
aurora oppitulata afflamine
cepit virium recuperare fortia.

Ovarizans jam agebatur
inter alta et consueta
nubium sidera.

Hilarata et jucundata nimis facta,
penetrabatur marium flumina.

Dulcimodo cantitans volitavit
ad amena arida

Concurrite omnia alitum
et conclamate agmina:
Regi magna sit gloria.
Amen.

Ich will laut klagen, meine Söhne,
Mit dem Lied des mächtig beschwingten Schwans,

Der das spiegelglatte Meer überflog.
Wie bitterlich weinte die Schwänin,
Dass sie das feste Land, die blühenden Orte verließ

Und vertrauensvoll das tiefe Meer aufsuchte.
Ich bin wie dieser unglückliche Vogel.
Weh mir!
Was soll ich Unglückseliger tun?
In den Himmel freigelassen, kann ich mich
Nicht im Dunst auf diese Flügel stützen,

Von den Wellen geschlagen,
Werde ich vom drohenden Sturm dem Meer übergeben.

Ich werde zwischen den Wogenkämmen zerdrückt,
In wirren Gedanken stöhnend, auf den Tod starrend,
Und mich nicht über ihn erhebend.

Obwohl ich die Fischschwärme vom Seetang unterscheide, Kann ich im schweren Seegang
Keine Nahrung holen.

Aufgang und Untergang, Himmelsfläche,
verwaltet die leuchtenden Sterne
des ... Orions
Die Wolken bittend, sich aufzulösen -
Während sie (die Schwänin) darüber nachdachte,
Zog der rotgoldene Bogen der Morgenröte herauf
Und mit ihm der hilfreich blasende Wind,
Und sie gewann langsam ihre Lebenskraft zurück.

An der Spitze des Zuges, wurde sie nun emporgehoben
Unter die Sterne,
hoch über die Wolken wie zuvor.

Nun aber mit viel größerer Freude und Lust
Durchglitt sie die Wellen des Meeres.

Unter stetem süßen Gesang flog sie hinüber
Auf das liebliche feste Land.

Rauscht voran, ihr Geflügelten,
Ruft laut, Ihr Heerscharen:
Dem König sei große Ehre!
Amen.

 


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