Papst Innozenz II.

Papst Innozenz und Abaelard

Papst Innozenz als Förderer der Kirche - zeitgenössisches Mosaik aus Santa Maria in TrasteverePapst Innozenz II. in die Gegner Abaelards einzureihen, fällt schwer, wenngleich kein Zweifel bestehen kann, dass er Abaelard von allen seinen Gegnern am härtesten traf: Nach der Verurteilung seiner Schriften auf dem Konzil von Sens wurde Abaelard am 16. Juli 1141 durch päpstliches Dekret wie ein Schwerverbrecher abgeurteilt und mit ewigem Schweigen und Klosterhaft bestraft. In Rom verbrannte man öffentlich seine Werke. Auch nach der formellen Aussöhnung mit Bernhard von Clairvaux wurde die Strafe nicht mehr aufgehoben. Abt Petrus Venerabilis von Cluny hatte sich sehr dafür eingesetzt:

Dem höchsten Priester und unserem besonders verbundenen Vater, Herrn und Papst Innozenz, sein Bruder Petrus, in Demut Abt der Kluniazenser, Gehorsam und Liebe! Magister Petrus, Eurer Weisheit - wie ich glaube - bestens bekannt, war neulich, als er aus Franzien kam, auf der Durchreise in Cluny. Wir fragten, wohin er fahre. Er antwortete, er fühle sich bedrückt von den Schikanen gewisser Leute, die ihm - wovor er weit zurückschreckte - den Titel eines Häretikers verliehen; er habe an die apostolische Majestät appelliert und wolle sich zu ihr flüchten. Wir lobten seinen Vorsatz und mahnten ihn, sich zu dieser allgemein bekannten Zuflucht zu flüchten. Die apostolische Gerechtigkeit, die ich noch keinem Auswärtigen oder Fremden versagte, werde sich auch ihm nicht versagen, behaupteten wir. Die Barmherzigkeit persönlich werde, wo die Vernunft es fordere, ihm entgegenkommen: das versprachen wir... Petrus Venerabilis an Papst Innozenz II.

Ob Papst Innozenz II. wirklich ein persönliches Interesse an der Verurteilung hatte, ist fraglich. Er handelte lediglich als verlängerter Arm Bernhards, dem er ja seine ganze Karriere im Kirchenstaat zu verdanken hatte. Zumindest bei zwei Gelegenheiten hatte er sich Abaelard gegenüber in früheren Jahren konziliant und hilfreich gezeigt:

Zum ersten Mal im Jahre 1130 oder 1131, als er Abaelard bei der Maßregelung seiner Mönche in Saint-Gildas unterstützte:

Von Zeit zu Zeit versuchte ich, die unbändige Zuchtlosigkeit der Mönche durch die Exkommunikation zu zügeln, und einige von ihnen, die ich am meisten zu fürchten hatte, brachte ich dazu, dass sie mir durch einen feierlichen Eid vor Zeugen versprachen, die Abtei für immer zu räumen und mich in keiner Weise mehr zu beunruhigen. Allein sie brachen ganz offen und in frechster Weise Wort und Eidschwur, und erst als Papst Innozenz deswegen einen besonderen Legaten mit einer Vollmacht entsandte, brachte man sie dazu, dass sie in Gegenwart des Grafen und der Bischöfe dasselbe noch einmal schworen und vieles andere. Aber trotz alledem gaben sie noch immer keine Ruhe... Abaelard, Historia Calamitatum
Das zweite Mal im Januar 1131, als Abaelard anlässlich der Weihe des Laurentiusaltars im Benediktinerkloster Morigny mit Papst Innozenz II. persönlich zusammentraf und bei ihm vermutlich die Bestätigung der Schenkung des Paraklet an Heloïsa und ihre Nonnen erreichte:
Innozenz, Bischof, Diener der Diener Gottes, seinen lieben Töchtern in Jesu Christo, der Priorin Heloïsa und ihren Schwestern, den gegenwärtigen und den künftigen, unterworfen dem göttlichen Joch im Oratorium der Heiligen Dreieinigkeit in der Diözese von Troyes und der Pfarrgemeinde von Quincey, am Flusse Ardusson. Es ziemt uns, wohlwollenden Sinnes alle vernünftigen Bitten zu erfüllen. Daher, liebe Töchter in Jesu Christo, Euren berechtigten Gesuchen zustimmend, nehmen wir das Kloster der Heiligen Dreieinigkeit, in dem Ihr dem göttlichen Dienst obliegt, unter den Schutz des Apostolischen Sitzes, und wir bringen dies Privileg zur Kenntnis der Gläubigen durch das vorliegende Schriftstück, das feststellt, dass die Besitzungen, welche auch immer, die Güter, welche auch immer, die Ihr jetzt zu Recht und rechtmäßig besitzt, und alle die, welche Ihr mit Gottes Hilfe erwerben könnt durch Bewilligung der Bischöfe, durch Freigebigkeit der Könige und der Fürsten, durch Gabe der Gläubigen oder auf jede andere rechtmäßige Art, dass die Euch dauernd unversehrt zugesichert sein werden. Ebenso bewilligen wir Euch, ohne jeglichen Widerspruch, das Zehntrecht an Euren auf eigene Kosten bewirtschafteten Äckern und das Zehntrecht an Eurem Vieh. Niemand habe das Recht, dieses Kloster vermessen zu stören, ihm seine Besitzungen wegzunehmen, einzubehalten, zu vermindern oder sie mit irgendeiner Widerwärtigkeit zu belasten. Sondern Eure Güter sollen Euch unangetastet erhalten bleiben, zu Eurem Nutzen und auf Dauer. Zum Zeichen dieses Privilegs, das die Kirche Euch zugesteht, werdet Ihr jedes Jahr sechs Geldstücke dem Lateranpalast zahlen.   Papst Innozenz II., Paraklet-Bulle
Dies wurde noch durch eine spätere Papstbulle unterstrichen, die dem Paraklet die offiziellen Klosterprivilegien verlieh und Heloïsa als Äbtissin bestätigte.

Die frühere Milde und die spätere Härte des Papstes gegen Abaelard werden nur verständlich, wenn man seine Entscheidungen in Zusammenhang mit den Turbulenzen versteht, die im erbitterten Machtkampf zwischen Papst und Krone, zwischen päpstlicher und weltlicher Macht, entstanden waren, bei den Umwälzungen der damaligen Zeit:

Vita des Papstes Innozenz II.

Innocens II. widerspricht der Erneuerung des Senats. Otto von Freising - Chronica - Thüringer Universitäts- und LandesbibliothekWährend die Frangipani gewaltsam ihren Kandidaten in Person des Honorius auf den Papstthron gebracht hatten, waren ihre Rivalen, die Pierleoni, darauf aus, beim Tode des Honorius den Petrusstuhl zu übernehmen. Ihr Kandidat, Peter Pierleone selbst, war - obwohl er Mönch in Cluny gewesen war und jetzt Kardinal - jedoch wenig für das kirchliche Spitzenamt geeignet. Als sich seine Partei also daran machte, den eifrigen Pierleone auf den Thron des Petrus zu setzen, kamen die alarmierten Kardinäle überein, die Wahl einem Acht-Männer-Kardinalsgremium anzuvertrauen. Dieses Komitee wählte am 14. Februar 1130 Kardinal Gregorius Papareschi von St. Angelo zum Papst, welcher den Namen Innozenz II. annahm.

Gregorius stammte aus dem Trastevere-Bezirk, war also echter Römer; er war zuerst Kanoniker an der Lateranskirche, später Abt von St. Nikolas und Primitivus gewesen. Unter Paschalis II. war er Kardinal-Diakon von St. Angelo geworden, er hatte das französische Exil von Gelasius II. geteilt - zusammen mit seinem späteren Rivalen, dem Kardinal-Diakon Pierleone. Unter Kallixtus I. war er im Jahre 1119 mit dem Legatem Lambert, Kardinal-Bischof von Ostia, nach Deutschland entsandt worden, wo beide an der Abfassung des Wormser Konkordats mitgewirkt hatten. Im folgenden Jahr hatte er sich erneut in Frankreich aufgehalten. Er hatte also bereits eine bewegte Kirchenkarriere hinter sich, als er 23. Februar 1130 zum Papst gekrönt wurde. Die Pierleonis weigerten sich jedoch, die Wahl anzuerkennen, und andere, ihnen ergebene Kardinäle wählten Peter, der den Namen Anaklet II. annahm. Beide wurden am selben Tag konsekriert: Innozenz in Santa Maria Nuova and Anaklet in St. Peter. Die Kirche stand vor dem Schisma.

Innozenz musste aus Rom nach Frankreich fliehen. Dort versicherte er sich der Unterstützung König Ludwigs VI.. Im Konzil von Étampes im Jahre 1130 erkannten zahlreiche Bischöfe auf Betreiben des eloquenten Suger von Saint-Denis seine Autorität an - ebenso viele andere Bischöfe, die sich in Puy-en-Velay unter Hugo von Grenoble versammelt hatten. Der Papst zog nach Cluny, anschließend nach Clermont, mit hohem diplomatischen Erfolg. Unter der Aktivität von Norbert von Xanten, Conrad von Salzburg und den päpstlichen Gesandten wurde Innozenz auf der Synode von Würzburg auch vom deutschen König und den deutschen Fürsten anerkannt. Im März 1131 krönte Innozenz feierlich König Lothar und Königin Richenza in der Kirche St. Lambert in Lüttich. Ostern 1131 weilte er in Saint-Denis und im Oktober bei der großen Synode von Reims, wo er den jungen Prinzen von Frankreich, den späteren Ludwig VII., krönte. Pfingsten 1132 hielt der Papst eine Synode in Piazenza, ein Jahr später war er wieder in Rom, wo er Lothar in der Lateranskirche zum Kaiser des Heiligen Römischen Reiches krönte. Im Jahre 1135 wurde eine große Synode in Pisa abgehalten, bei der auch die Bischöfe von Spanien, England, Frankreich, Deutschland, Ungarn u.a. anwesend waren. Damals wurde Heinrich von Lausanne als Ketzer gefangen genommen. Im Frühjahr 1137 begann Kaiser Lothar wegen der wiederholten Anfeindungen des Papstes seinen Marsch auf Rom. Die kaiserlichen und päpstlichen Truppen trafen sich am 30. Mai 1137 in Bari, der Papst wurde anschließend erneut in Rom eingeführt. Anaklet hielt noch einen Teil der Innenstadt, starb aber am 25. Januar 1138.

Zur Unterstützung und Wiedereinsetzung des Papstes hatten sich respektierte und machtvolle Persönlichkeiten Europas gefunden, so z.B. Bernhard von Clairvaux und Norbert von Xanten sowie die Kaiser und die Könige von Frankreich, Deutschland und England. Roger von Sizilien war der einzige große Herrscher, der Anaklet unterstützt hatte. Obwohl Roger nach dem Tode Anaklets einen neuen Gegenpapst aufstellte, überredete der Heilige Bernhard Anaklets Nachfolger zur Aufgabe. Im Jahre 1138 war das Schisma endlich beendet.

Innozenz II. war ein Mann von starkem Charakter, der seinen Gegnern effektiven Widerstand leistete. Sein Motto war: Adjuva nos, Deus salutaris noster. Die Politik des Papstes wird in einem der Briefe des Heiligen Bernhard charakterisiert:

Wenn die Heilige Autorität der päpstlichen und kaiserlichen Macht mit gegenseitiger Liebe getränkt ist, müssen wir Gott demütig danken, weil nur dann Friede und Harmonie unter den christlichen Völkern herrschen kann. Dafür ist nichts so fein wie das Papsttum und nichts so erhaben wie der Kaiserthron.
Trotz allem setzten Papst Innozenz II. politische Schwierigkeiten auch in seiner weiteren Amtsführung zu. Seine größte Leistung war das Generalkonzil im Lateran von April 1139. Hier fassten fast 1000 Bischöfe und Äbte Beschlüsse - in erneuter Bestätigung der Erlässe Papst Gregors VII. Man beseitigte die schlimmen Folgen des Schismas, setzte die Bischöfe Anaklets ab, erklärte die Erlasse Anaklets für null und nichtig, verurteilte die häretischen Lehren Peters von Bruys, führte den Zwangszölibat ein, erließ ein Anti-Katharer-Dekret und ein Schweigegebot für Arnold von Brescia. Dreißig kanonische Regeln gegen Simonie, Ausschweifung in Kleidung und Lebenswandel der Kleriker, wurden erlassen, Roger von Sizilien wurde exkommuniziert.

Innozenz hatte somit strenge Maßnahmen gegen Anaklets Gefolgschaft ergriffen. Er hatte auch eine Befreiung vom Kreuzzug für die ausgesprochen, die gegen den Hauptverursacher des Schismas, Roger von Sizilien, kämpfen würden. Aber Roger nahm Rache. Wegen eines Streits um Capua zog der Papst mit einer Armee gegen die Normannen. Die Armeen stießen am Garigliano aufeinander - mit verheerenden Folgen für Innozenz. Der Papst und sein ganzes Gefolge wurden vom schrecklichen Roger gefangen genommen! Roger behandelte - genauso wie Robert Guiscard einst Leo IX. - den Papst ehrerbietig, aber er veranlasste Innozenz II., ihm den Königstitel zu bestätigen, den er von Anaklet erhalten hatte. Er seinerseits stimmte zu, das Königreich Sizilien als ein Lehensgut des Papstes innezuhaben.

Papstdarstellung - Beato Angelico, 1447, VatikanspalastInnozenz unterstützte in der Folge auch viele kleinere Kirchensynoden, dazu zählt auch das Konzil von Sens am 25. Mai 1141, welches Peter Abaelard wegen Häresie verurteilte. Nach dem Tode Alberichs, des Erzbischofs von Bourges, der im selben Jahr verstarb, wollte König Ludwig VII. von Frankreich die Ernennung eines Mannes eigener Wahl sicherstellen, der dem Domkapitel jedoch nicht zusagte. Das Domkapitel wählte Pierre de la Châtre. Diese Wahl wollte der König jedoch nicht ratifizieren. Da begab sich der Kandidat persönlich nach Rom, Innozenz bestätigte die Wahl des Domkapitels und gab dem neuen Bischof die Weihe. Als König Ludwig dem neuen Bischof die Einreise in seine Diözese verweigerte, stellte Innozenz den König und sein ganzes Reich unter Kirchenbann. Erst unter dem nächsten Papst wurde der Kirchenbann wieder gelöst und der Friede wiederhergestellt. Leider grassierte zur Zeit Innozenz' am Heiligen Stuhl sehr die Bestechlichkeit, und der Papst persönlich gab den unschönen und beschämenden Praktiken durch eine Reihe von Einzelentscheidungen weiter Aufschub.

Den Kirchenstaat regierte Innozenz weitgehend effektiv, wenngleich mit vielen Rückschlägen, Rom schenkte er viele Kirchen. Aber die Römer erwiesen sich als undankbar. Weil der Papst versuchte, ihre Rache an Tivoli zu dämpfen, revoltierten die Römer und riefen die Republik aus. Inmitten dieser Wirren starb Innozenz II. am 24. September 1143. Er wurde in der Lateranbasilika bestattet, sieben Jahre später jedoch nach Santa Maria in Trastevere überführt.

Weitere Quellen

Ausführliche Angaben zu den politischen Verhältnissen im Kirchenstaat in den Jahren 1138 bis 1142 und zu den Umständen der Verurteilung Peter Abaelards aus der Sicht des Heiligen Stuhls  finden sich innerhalb dieser Seiten in folgendem Online-Buch (über 260 DIN-A-4-Seiten und 700 Fußnoten):

 


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