Theobald IV., Graf der Champagne, 1102 - 1152

Der Graf der Champagne, geboren 1090, gestorben 1152, älterer Bruder von König Stephan von England und Schwiegervater von König Ludwig VII. von Frankreich und Heinrich II. von England, war einer der mächtigsten Männer seiner Epoche. Er verfügte zeitweise über größere Machtmittel als der König von Frankreich. Er war der Inhaber vieler Titel, unter anderem Graf der Champagne, von Provins und Meaux, und Graf von Troyes von 1125 an. Seine Mutter war die berühmte Gräfin Adelheid von Blois, die leibliche Tochter Wilhelms des Eroberers; von ihr hatte er im Jahre 1122 anlässlich ihres Eintritts ins Kloster Marcigny die Grafschaften von Blois und Chartres übernommen. Häufig befand er sich auf Kriegszügen zusammen mit den Königen von Frankreich. Im Jahre 1121, als ihm im Königskloster Saint-Denis der Prozess drohte, floh Abaelard in Theobalds Festung in Provins und somit aus dem Bannkreis und dem unmittelbaren Herrschaftsbereich des französischen Königs.
So entwich ich denn mit dem Einverständnis einiger Brüder, die Mitleid mit mir hatten, und unter Beihilfe einiger meiner Schüler heimlich bei Nacht und flüchtete in das angrenzende Gebiet des Grafen Theobald, wo ich früher in einer Einsiedelei gelebt hatte. Der Graf selbst war mir nicht ganz unbekannt; auch hatte er an meinen Demütigungen, von denen er hörte, sehr mitgelitten. Ich hielt mich zunächst bei dem Schloss Provins auf, in einer Klause der Mönche von Troyes... Abaelard, Historia Calamitatum
Abaelard blieb in Theobalds Land bis zu seinem Umzug in die Bretagne. Vermutlich hatte er durch seine Hilfe den Paraklet-Besitz geschenkt bekommen. Hatto, der Bischof von Troyes, hatte das Heiligtum geweiht. Als Abt Adam von Saint-Denis wegen Abaelard den Beteiligten mit Exkommunikaton drohte, ließ sich der Graf nicht beeindrucken. Als Graf der Champagne bestätigte Theobald auch Schenkungen an Heloïsas Paraklet-Kloster in den 30er und 40er Jahren des 12. Jahrhunderts. Theobald war andererseits auch Landesherr von Abaelards Kontrahenten Bernhard von Clairvaux, mit dem er freundschaftlich verbunden war. Zusammen mit König Ludwig VII. und Graf Wilhelm von Nevers soll er Teilnehmer des Konzils von Sens im Jahr 1141 gewesen sein, auf welchem Abaelard verurteilt wurde. Allerdings hatte er mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht der offiziellen Konzilsveranstaltung am 25. Mai beigewohnt. Als Beschützer Abaelards tat er sich zu diesem Zeitpunkt nicht mehr hervor.

Abaelard schrieb am Ende seines Lebens an seinen Sohn Astralabius wenig Schmeichelhaftes über Graf Theobald, durch dessen Vermittlung er vermutlich das Paraklet-Areal geschenkt bekommen hatte:

Multa Theobaldus largitur religiosis
Sed si plura rapit sunt data rapta magis
Ut salomon meminit pertusus saculus eius
De quo produxit tanta fefellit eum
Convenit hoc magis ut rapiat nichil atque nichil det
Quam perdat grates et sua dona simul...

Theobald schenkt den Mönchen viel;
Aber wenn er so vieles raubt, sind die Gaben eben ein Raubgut.
Wie schon Salomon erinnert hat: Stülpt er seinen Geldsack um,
Aus dem er eine solche Menge hervorgezaubert hat, erlebt er eine Täuschung.
Besser wäre es, wenn er nicht raubte und nichts schenkte,
Statt dass er den Lohn und die Gaben zugleich verliert...

Abaelard, Carmen ad Astralabium

Eine ähnlich abschätzige Bemerkung findet sich im sogenannten "Verbum abbreviatum" des scholastischen Theologen Petrus Cantor, 1130-1197 (siehe PL 205, Sp. 146). Hier wird ausdrücklich bestätigt, dass Peter Abaelard auf Zuwendungen seitens der Grafen keinen Wert legte:

Exemplo magistri Petri Abaelardi, qui a comite Theobaldo aliqua sociis distribuenda, nisi ex meris redditibus sumpta essent, noluit accipere, sed dixit se illas alias provenientias daturum canibus, bestiis et avibus coeli...

Nach dem Beispiel des Meisters Peter Abaelard, der aus den Zuwendungen des Grafen Theobald für seine Gefolgsleute nur das nehmen wollte, was aus den reinen [Zehnt]-Einkünften stammte, und sagte, alle anderen Spenden werden er den Hunden, dem Wild und den Vögeln des Himmels überlassen...

Petrus Cantor, Verbum abbreviatum, Kap. 46

Dieser Text findet sich unverändert auch in der durch Schüler erweiterten letzten Redaktion, z. B. in MS Paris, Sainte-Geneviève 250, f. 76v.

 


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