Ausführliche Chronologie

Version 3/2003

 

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Die Entführung der Nonne, französisches Manuskript aus dem 14. Jahrhundert

Abaelard (1079-1142) lehrte am Lehrstuhl von Saint-Christophe in Paris Dialektik und Theologie. Er war einer der führenden und umstrittensten Denker seiner Zeit und wurde nebenamtlich Hauslehrer Heloïsas, der jungen und hübschen Nichte des Subdiakon Fulbert. Als ihre leidenschaftliche Liebe füreinander von diesem entdeckt wurde, entführte der Philosoph zunächst seine Geliebte in die Bretagne, wo sie von einem Sohn entband. Um Abaelards Stellung zu schützen, einigte man sich schließlich auf eine heimliche Heirat in Paris. Ungeachtet der getroffenen Vereinbarung plauderte der Domherr das Eheverhältnis aus. Abaelard sandte um ihres Schutzes willen Heloïsa zum Schwesternkonvent von Argenteuil. Fulbert nahm in der Hoffnung, das unerwünschte Verhältnis ein für allemal zu beenden, an Abaelard fürchterliche Rache, indem er ihn kastrieren ließ. Abaelard überlebte die Entmannung. Der spätere, über Jahre sich erstreckende Briefwechsel der Liebenden belegt, dass trotz aller Widrigkeiten und Tragik die gegenseitige Hingabe niemals ins Schwanken geriet. Heloïsa legte die Gelübde ab und wurde hoch geachtete Gründungsäbtissin eines Frauenordens, während Abaelard - ebenfalls im Ordensgewand - philosophische und theologische Werke verfasste und sich als Lehrer in einer Reihe von theologischen Streitgesprächen hervortat, die schließlich in seiner berühmten Auseinandersetzung mit Bernhard von Clairvaux gipfelten. Seine aufklärerische, fast Jahrhunderte vorwegnehmende Geisteshaltung und sein Eintreten für den Primat der Vernunft auch in Glaubensfragen brachte ihm die fortwährende Feindschaft des orthodoxen Klerus ein, führte ihn in Kirchenbann und Klosterhaft und an den Rande des physischen und psychischen Ruins...

Nur Weniges in der Lebensgeschichte von Abaelard und Heloïsa ist so genau bekannt, dass Ort, Datum und Umstände exakt feststehen. Datierungsversuche in der Fachliteratur weichen häufig von einander ab. Die unten stehenden Datumsangaben folgen der Mehrheit der Autoren, berücksichtigen jedoch erstmalig schwerpunktmäßig auch die Neudatierung des Konzils von Sens in das Jahr 1141 nach Deutsch und Mews. Insofern weicht vorliegende Chronologie in nicht wenigen Punkten von den bislang veröffentlichten Lebensbeschreibungen Abaelards und Heloïsas ab. Auf Autoren- und Quellenangaben wurde aus Gründen der Übersicht verzichtet.

Datierung
Lebensbeschreibung
Zeitgeschichte
     

1079

Ehemalige Burgkapelle von Le Pallet

Peter Abaelard wird als ältestes Kind des Ritters Berengar und seiner Frau Lucia geboren. Sein Vater ist Burgmanne - miles - in der Kastellenie Le Pallet, an der Straße Nantes-Cholet-Poitiers, ca. 20 km südöstlich von Nantes. Sprachlich ist der Geburtsort eher dem Poitou, lehenseidlich eher dem Anjou als der Bretagne zuzuordnen. Höchstwahrscheinlich ist der Beiname Abaelardus, der bislang nur bei drei weiteren Personen der Epoche bekannt wurde, normannischen oder bretonischen Ursprungs und leitet sich von Mab-Aillt ab, d. h. Sohn des Aftervasallen. Abaelard hat mindestens 4 Geschwister: Dionysia, Radulf, Porcarius und Dagobert. Peter ist der Erstgeborene. Auch zwei Nichten Abaelards sind überliefert: Agathe und Agnes. Sein erster Unterricht findet im Elternhaus unter Aufsicht des bildungsfreundlichen Vaters statt. Wohl durch einen Ortsgeistlichen, am ehesten den Prior von Saint-Etienne, lernt Abaelard in Le Pallet bereits Latein. Seine Begabung sticht bald hervor.

Ein lebhaftes Temperament und eine für die wissenschaftliche Ausbildung leicht empfängliche Begabung waren Erbe meines heimatlichen Bodens oder meiner Abstammung.   Hist. Cal.
1060: Philipp I. wird König von Franzien.
1066: Wilhelm der Eroberer wird König von England (Schlacht bei Hastings).
1073: Gregor VII. wird zum Papst gewählt.
1075: Der berühmte "Dictatus Papae" Gregors VII. enthält eine Kampfansage gegen Laieninvestur, Simonie, Priesterehe, und erhebt den Anspruch auf Weltherrschaft.
1077: Der deutsche König Heinrich IV. geht nach Canossa.
1078: Die Türken nehmen Jerusalem ein.
1087: Wilhelm II. wird König von England.
1088: Urban II. wird zum Papst gewählt.
1090: Bernhard von Clairvaux wird geboren.
1092: Petrus Venerabilis wird geboren. Roscelin von Compiègne wird wegen Tritheismus auf einem Konzil in Soissons verurteilt und flüchtet nach England.

1090-1099

Pythagoras beim Studium

Abaelard verzichtet auf das Ältestenrecht bzw. eine militärische Laufbahn und zieht als Wanderscholar in die Provinz. Er erhält die Triviumsausbildung in Tours und Loches - unter anderem bei Roscelin von Compiègne, seinem späteren Gegner. Möglicherweise verbringt er einige Jahre seiner Jugend in dessen Schule. Roscelins Unterricht wird in Abaelards Autobiographie verschwiegen, jedoch in anderen Schriften Abaelards erwähnt. Eine Quadriviumsausbildung Abaelards bei Thierry von Chartres ist nicht sicher belegt, aber wahrscheinlich. Abaelard ist allerdings später naturwissenschaftlich nicht tätig. Eventuell studiert Abaelard auch bei anderen ungenannten Lehrern der Philosophie, besonders der Logik, hört auch Ulger von Angers oder Marbod von Rennes. Als Wanderphilosoph erhält er den Beinamen Peripateticus Palatinus, d. h. Peripatetiker aus Le Pallet.

In die Jahre um 1095 fällt Heloïsas Geburt: Vermutlich wird sie unter außerordentlichen Umständen im nördlichen Anjou - ganz in der Nähe zu den Orten, wo Abaelard sich aufhält - geboren. Einiges spricht dafür, dass sie die außereheliche Tochter der adeligen Frau Hersendis von Champagne ist. Die vormalige Herrin von Montsoreau an der Loire hat nach dem Tode ihres Mannes Anschluss an die pauperes Christi des Wanderpredigers Robert von Arbrissel gefunden und lebt eremitengleich in den Wäldern von Craon. Später wird sie die erste Priorin von Fontevraud.

Der erstgeborene Sohn eines Ritters zieht umher - peripateticus palatinus wird er genannt - und sucht sich die Gegner, wie ein Ritter die Turnierpartner sich sucht. Ruhm ist sein Verlangen. Seine Lanzenstiche des Wortes treffen nicht nur, sie verletzen und sollen verletzen. Der Erfolg jedoch gibt ihm recht; von keinem Turnierplatz tritt er ruhmlos ab...  Podlech, Abaelard und Heloïsa
1096: Der 1. Kreuzzug wird initiiert. Er endet mit der Eroberung Jerusalems am 15. Juli 1099. Am Rhein kommt es zu Judenpogromen. Wanderprediger Robert von Arbrissel sammelt eine Gefolgschaft von verstoßenen Frauen, darunter auch Dirnen und Zölibatsopfer. Die Kirche von Vézelay wird erbaut.
1098: Der Zisterzienserorden wird durch Robert von Molesme in Citeaux gegründet, Arnold von Brescia wird geboren.
1099: Paschalis II. wird zum Papst gewählt. Das Languedoc, die Provence und die Diözese Agen werden von den Katharern unterwandert.

1100/1101

Abaelard trifft in Paris ein, einem damals noch kleinen Städtchen von ca. 3000 Einwohnern, welches jedoch bereits eine lange Schultradition aufweist und allmählich zur geisteswissenschaftlichen und politischen Metropole aufsteigt. 100 Jahre später wird es ca. 100000 Einwohner zählen. An diesem Aufschwung haben Abaelard und seine Zeitgenossen Anteil. Abaelard studiert zunächst am Dialektiklehrstuhl bei Wilhelm von Champeaux, dem Archidiakon von Paris. Dieser Lehrstuhl liegt nicht - wie vielfach behauptet - im Domherrenhof von Notre-Dame, sondern im viel bevölkerten Innenstadtbezirk bei der Hospitalkirche Saint-Christophe. Mit einer Stiftung für mittellose Kleriker dotiert, war der Lehrstuhl nicht nur aus wissenschaftlichen, sondern auch aus ökonomischen Gründen für Abaelard sehr attraktiv. Unmittelbar benachbart wohnt Domherr Fulbert, Subdiakon am Dom vom Titel Saint-Christophe. Nach kurzer Zeit kommt es wegen philosophischer Streitfragen zu einem ersten Zerwürfnis zwischen Abaelard und Wilhelm von Champeaux.

Wilhelm von Champeaux, der in diesem Fach in Wirklichkeit wie in seinem Ruf damals hervorragend war, wurde mein Lehrer. Ich besuchte eine Zeitlang seine Schule und war anfangs bei ihm beliebt; bald aber wurde ich ihm höchst unbequem, da ich von seinen Sätzen einige zu widerlegen versuchte und mir wiederholt herausnahm, ihn mit Gegengründen anzugreifen, wobei ich ihm einige Male im Disputieren sichtlich überlegen war... Hist. Cal.
1100: Heinrich wird I. König von England.
1100: Robert von Arbrissel gründet zusammen mit Hersendis von Champagne das Doppelkloster Fontevraud. Zwischen Galon und Stephan von Garland brechen Rivalitäten um den Bischofstuhl in Paris aus.

Paris um 1100

1102/1103

Studium der Philosophie

Abaelard verfasst erste logische Schriften - die Commentaria minora zu Porphyrius, Boethius und den ins Lateinische übersetzten Logik-Schriften des Aristoteles (Perihermeneias, Kategorien, Topik). Archidiakon Stephan von Garland wird vermutlich Abaelards wichtigster Schutzherr. Heloïsa wird in der Schule des Nonnenkonvents von Argenteuil unterrichtet, lernt auch Griechisch und Hebräisch. Diese Ausbildung ist für eine Frau in damaliger Zeit ungewöhnlich und spricht für ein außerordentliches Talent.
1102: Stephan von Garland wird Archidiakon in Notre-Dame in Paris. Der Königs siedelt vorübergehend nach Melun über.
1103: Anselm von Laon, ein Schüler Anselms von Canterbury, der der Vorgänger Wilhelms von Champeaux in Paris gewesen ist, verfasst mit seiner Schule die "Glossa Ordinaria" zum gesamten Bibeltext.

1103-1105

Abaelard gründet eine eigene Schule, zunächst in der alten Königsstadt Melun, später in der Königsstadt Corbeil - gegen den Widerstand Wilhelms von Champeaux, vermutlich jedoch unter königlichem Schutz. Es entstehen erste logische Schriften, Kommentare zu Aristoteles und Boethius.

Er war ein Mensch des Verstandes, und seine Leidenschaft die Logik. Er betrieb sie besessen fast und nicht allein der Wissenschaft wegen. Sie war ihm Mittel zu zeigen, dass keiner ihm gleich sei. Mit 22 Jahren beschließt er, von Lehrern nichts mehr lernen zu können und eine eigene Schule zu gründen. Sein Erfolg trifft die Lehrer dreifach: Sie halten seinen Argumenten nicht stand, sie verlieren ihre Schüler an den Außenseiter, und dieser überschüttet sie zu alledem mit Hohn...  Podlech, Abaelard und Heloïsa
1104: Die Familie von Garland fällt vorübergehend in Ungnade. Galon wird Bischof von Paris.

1105-1109

Lehrer und Schüler

Abaelard ist nach der Schuleröffnung in Corbeil wohl schwer erkrankt oder ohne Unterstützung durch Stephan von Garland. Er reist nach Hause in die Bretagne. Es folgt ein mehrjähriger Erholungsaufenthalt in Le Pallet.

Es dauerte jedoch nicht lange, bis ich, von Überanstrengung im Studium zerrüttet, wegen einer Krankheit in meine Heimat zurückkehren musste. So war ich einige Jahre aus Frankreich sozusagen verbannt und wurde von denen, welche die dialektische Wissenschaft reizte, besonders schmerzlich vermisst. Es verflossen einige Jahre, und ich hatte mich längst von meiner Krankheit erholt, da änderte Wilhelm von Champeaux, mein berühmter Lehrer und Archidiakon von Paris, plötzlich seine Lebensweise, indem er in den Orden der regulierten Chorherren eintrat... Hist. Cal.
1106: Stephan von Garland wird Kanzler des Königs, sein Bruder Ansell Seneschall. Ursache der Ämtersplittung ist eine offene Auseinandersetzung Stephans mit dem König.
1106: Heinrich V. wird deutscher König und Kaiser. Peter von Bruys predigt eine Laienkirche gegen den Amtsklerus und verwirft Kindertaufe, Eucharistie und kirchliche Symbole (Kruzifix).
1108: Ludwig VI., der Dicke, wird nach dem Tode seines Vaters Philipp I. König von Frankreich. Wilhelm von Champeaux gibt das Archidiakonat ab und wechselt um 1108 mit seiner Schule in das Stift Saint-Victor.

1110/1111

Abaelard doziert

Abaelard kehrt aus der Bretagne zurück und lehrt wieder in Melun und auf dem Genovevaberg. In Saint-Victor hört Abaelard die Rhetorik-Vorlesung Wilhelms von Champeaux. Es kommt zum berühmten Universalienstreit. Wilhelm vertritt den Realismus - im Gegensatz zum Nominalismus eines Roscelin. Abaelard entwirft eine zwischen den Extrempunkten vermittelnde Theorie. Sie wurde später mit dem Begriff Konzeptualismus belegt. Wilhelms Nachfolger am Dialektik-Lehrstuhl genehmigt Abaelards Vorlesungen, wird aber von Wilhelm, der noch alle Rechte an diesem Lehrstuhl besitzt, abgesetzt. Damit ist Abaelard erneut der Lehrmöglichkeit beraubt.

...brachte ich ihn durch unumstößliche Beweisgründe dazu, dass er seine alte Lehre von den Universalien abänderte, ja gänzlich verwarf. Seine Lehre von der Gemeinsamkeit der Universalien bestand darin, dass er behauptete, ein und dieselbe Wesensbeschaffenheit sei in allen Einzeldingen ganz und zugleich, so dass diesen gewiss keine Verschiedenheit im Wesen zukomme, sondern nur eine Mannigfaltigkeit durch die Menge der Akzidenzien. Nun änderte er seine Lehre insofern, dass er nicht mehr die Identität der Wesensbeschaffenheit behauptete, sondern nur ihre Ununterscheidbarkeit.... dadurch gerieten seine Vorlesungen in Misskredit... Hist. Cal.
1109: Erzbischof Anselm von Canterbury verstirbt.
1111: Wilhelm von Champeaux errichtet eine Schule bei der Kapelle Saint-Victor. Gilbert wird als sein Nachfolger Archidiakon von Paris.

1111/1112

Die Mutter Abaelards Lucia tritt aus Altersgründen in ein Kloster ihrer Heimat ein - vermutlich in den Nonnenkonvent von Saint-Sulpice-la-Forêt bei Rennes. Abaelards Vater ist vermutlich schon viele Jahre zuvor in den Konvent Saint-Serge und Saint-Bach bei Angers eingetreten, welcher etliche Liegenschaften in der Nähe Le Pallets besaß, und zwischenzeitlich verstorben. Abaelard reist zur Vermögensregelung zurück in die Heimat.

Während dies geschah, drang meine geliebte Mutter Lucia in mich, nach Hause zu kommen. Sie bereitete sich nach dem Klostereintritt meines Vaters Berengar darauf vor, es ebenfalls die Gelübde abzulegen. Als dies vollbracht war, kehrte ich nach Frankreich zurück, hauptsächlich um Theologie zu studieren... Hist. Cal.
1111: Stephan von Garland wird Dekan des Säkularkanonikerstifts Sainte-Geneviève bei Paris.

1112

Abaelard kehrt nach Paris zurück. Da ihm am ehemaligen Dialektiklehrstuhl zunächst weiterhin keine Vorlesungen möglich sind, beginnt er - vermutlich mit Hilfe Stephans von Garland - erneut auf dem Genovevaberg zu lesen. Er verfasst weitere logische Schriften - die Logica Nostrorum Petitioni, eventuell auch De Intellectibus. Bei Abaelard herrscht mittlerweile ein großer Andrang von Schülern; es dringen auch Unberufene aus den Hörsälen anderer Lehrer ein. So existiert ein Bericht über einen Disputationssieg Goswins, des späteren Abtes von Anchin.
1112: Bernhard von Clairvaux tritt mit seinen Gefolgsleuten in den Zisterzienserorden ein. Die Kommune von Laon erhebt sich gegen ihren Bischof; Bischof Walderich wird erschlagen. Theobald der Notar wird Kanzler des Domkapitels von Notre-Dame.

Vorlesung Abaelards

1113

Laon heute

In Laon befindet sich eine der bekanntesten Theologieschulen von Europa. Trotz der unsicheren politischen Lage - im Vorjahr sind einem Bürgeraufstand viele Menschen zum Opfer gefallen - begibt sich Abaelard nach Laon und studiert bei Anselm, dem berühmten Frühscholastiker und derzeitigen Dekan am Dom, Theologie. Da nach dem gewaltsamen Tod Bischof Walderichs Kanzler Stephan von Garland unbedingt Hugo, den Dekan von Orléans, als neuen Bischof von Laon durchsetzen will, um sich anschließend selbst des Dekanats von Orléans zu bemächtigen, benötigt er die Hilfe Abaelards. Vermutlich hat er seinem Schützling den Auftrag gegeben, Anselm von Laon öffentlich zu diskreditieren, um dessen Kandidatur um den Bischofsstuhl von Laon zu verhindern. Darin liegt vermutlich der Grund, dass Abaelard - unter dem Schutz seines mächtigen Gönners - so unverfroren gegen Anselm von Laon auftreten kann. Es kommt unvermeidlich zum Zerwürfnis Abaelards mit seinem Lehrer. Er erhält von ihm ein Unterrichtsverbot. Dessen Schüler Alberich und Lotulf werden zu seinen unversöhnlichen Feinden.

Das Feuer, das er entzündete, füllte sein Haus nur mit Rauch, statt es zu erleuchten. Er glich einem Baum, der in seinem Blätterschmuck, wenn man ihn von weitem anschaute, stattlich aussah, und doch, wenn man sich näherte und ihn genauer betrachtete, sich als unfruchtbar erwies... Hist. Cal.
1113: Wilhelm von Champeaux wird Bischof von Châlons-sur-Marne.

1114

Abaelard kehrt nach Paris zurück und wird Leiter des Logiklehrstuhls der Innenstadt. Wilhelm von Champeaux ist nach seinem Weggang nach Châlons nicht mehr in der Lage, erneut zu intervenieren. Der Posten ist Abaelard von seinen politischen Freunden nach dem erfolgreichen Einsatz in Laon schon einige Zeit zuvor in Aussicht gestellt worden. In seiner Funktion als Lehrer der Philosophie und Theologie wird Abaelard assoziiertes Mitglied - concanonicus - des Domkapitels von Notre-Dame. In dieser Zeit - am Gipfel seines Erfolgs - erhält er den größten Zustrom von Schülern. Er entwirft eine erste Vorlesungsfassung seines logischen Hauptwerkes Dialectica. Als erstes theologisches Werk verfasst er einen heute verlorenen Kommentar zum Propheten Ezechiel.

Mit 35 Jahren hat er das zu seiner Zeit Höchste erreicht, die Leitung der Domschule in Paris. Seine Konkurrenten hat er hinter sich gelassen, verbittert, erledigt, ja zerbrochen...  Podlech, Abaelard und Heloïsa
1114: Es kommt zum Pogrom gegen die Katharer in Soissons (öffentliche Verbrennung).
1115: Bernhard gründet das Kloster Clairvaux und erhält die Abts- und Priesterweihe durch Wilhelm von Champeaux. Bertrada von Montfort, ehemals Mätresse und zweite Frau König Philipps II., tritt in den Orden von Fontevraud ein und wird in ihrer Heimat Leiterin des Priorats von Hautebruyère. Abt Guibert von Nogent schreibt seine Autobiographie "De Vita Sua".

1116/1117

Die hübsche, über 20-jährige Heloïsa lebt ohne elterliche Betreuung in Paris. Ihre Mutter, deren Namen Hersendis bekannt ist, ist bereits verstorben. Entgegen früherer Aussagen stammt diese Frau nicht unmittelbar aus der Familie Montmorency, mit der sie nur weitschichtig verwandt ist, sondern aus der angevinischen Familie de Campania, von Champagne. Bis zu ihrem Tod 1114 ist sie eine enge Begleiterin des Wanderpredigers Robert von Arbrissel gewesen. Auf dessen Veranlassung hin ist sie die erste Priorin und damit Leiterin von Fontevraud gewesen. Heloïsas Vater ist unbekannt. Das elternlos aufwachsende Mädchen Heloïsa  hat zwischenzeitlich ihre erste Ausbildungsstätte Argenteuil verlassen und lebt nun im Haus ihres Onkels Fulbert bei der Hospitalkirche Saint-Christophe - vor den Toren von Notre-Dame. Heloïsa besitzt großes Wissen in der lateinischen Literatur, aber auch in der profanen, hat darüber hinaus gute Kenntnisse im Griechischen und Hebräischen. Fulbert ist sehr auf ihre weitere Ausbildung bedacht. Zu ihrer philosophischen Unterweisung wird Abaelard engagiert und in das Haus Fulberts aufgenommen. Bei gemeinsamen Studien der antiken Klassiker - Ovid, Seneca, Lucan - und der Kirchenväter wird Heloïsa von Abaelard verführt. Die beiden beginnen eine anhaltende Liebesbeziehung. Fulbert entdeckt schließlich das Verhältnis; wutentbrannt verweist er Abaelard aus dem Haus. Heloïsa ist vermutlich zu diesem Zeitpunkt bereits schwanger.

Gehörte sie schon ihrem Äußeren nach nicht zu den letzten, so war sie durch den Reichtum ihrer Bildung weitaus die erste... Sie, die ich mit allem geschmückt sah, was Liebhaber anzulocken pflegt, gedachte ich nun, da sie eher willfährig war, zur Liebe an mich zu fesseln... Unter dem Deckmantel der Unterweisung gaben wir uns ganz der Liebe hin... Da wurden über dem offenen Buch mehr Worte über Liebe als über Lektüre gewechselt; da gab es mehr Küsse als Sprüche. Nur allzu oft zog es die Hand statt zu den Büchern zu ihrem Busen, und öfter spiegelte Liebe die Augen ineinander, als dass die Lektüre sie auf die Schrift lenkte; ja, um jeden Verdacht unmöglich zu machen, gab es einige Male Schläge. Aber es war Liebe, nicht Grimm, Neigung, nicht Zorn, und sie überboten die Süße von allem Balsam der Welt. Kurz: keine Stufe der Leidenschaften ließen wir aus, und wo die Liebe etwas Ungeheuerliches erfinden konnte, wurde es mitgenommen... Hist. Cal.
1116: Bischof Ivo von Chartres, der maßgebliche Kirchenrechtler seiner Zeit (Decreta und Panormia) und Galon, Bischof von Paris, versterben. Gottfried von Lèves wird Bischof von Chartres, Archidiakon Gilbert Bischof von Paris. Der Bußprediger Heinrich von Lausanne streitet in Le Mans gegen Bischof Hildebert von Lavardin. Es besteht eine geistige Nähe zu Peter von Bruys und den Petrobrusianern.

Abaelard und Heloisa

1117/1118

Fulbert entdeckt das Liebesverhältnis

Abaelard entführt die schwangere Heloïsa - wohl mit ihrem Einverständnis, aber gegen den Willen Fulberts - und schickt sie zu seiner Schwester Dionysia in die Bretagne. Dort wird ihr gemeinsamer Sohn Petrus Astralabius geboren. Der von Heloïsa verliehene Beiname des Kindes ist ein Neologismus und heißt: Der nach den Sternen greift. Abaelard sucht nach der Entbindung die Versöhnung mit Fulbert. Fulbert geht auf eine geheime Eheschließung ein, wohl um Heloïsas Ehre willen, und um eine gehörige Entschädigung zu erhalten. Er verspricht Abaelard Geheimhaltung, da der Zölibat für die weitere Karriere Abaelards zwar nicht unabdingbar, aber förderlich ist. Heloïsa und Abaelard kehren nach Paris zurück. Astralabius bleibt bei Abaelards Schwester in der Bretagne. Die folgende stille Verheiratung - vermutlich in der Kirche Saint-Aignan, die Kanzler Stephan von Garland gehört - wird von Fulbert ausgeplaudert. Es kommt zum Zerwürfnis Fulberts mit Heloïsa, die sowieso die Ehe entschieden abgelehnt hat, eventuell auch zur Misshandlung. Abaelard muss um seinen Posten als Konkanoniker und Dozent fürchten; deshalb bringt er Heloïsa ins Kloster von Argenteuil, zunächst als Konversin. Fulbert sinnt auf Rache; durch Mittelsmänner - u. a. einen Diener Abaelards und Verwandte aus dem Anjou - lässt er nachts Abaelard in seinem Hospiz entmannen. Abaelard übersteht die Verstümmelung ohne körperliche Komplikationen, jedoch mit tiefer innerer Demütigung. Die Täter werden nur teilweise gefasst und mit Entmannung und Blendung bestraft. Fulberts Güter werden vom Kapitelgericht konfisziert, er selbst entgegen früherer Ansicht jedoch nicht aus dem Domkapitel entfernt. Diese Strafe genügt Abaelard nicht; dennoch verzichtet er auf einen Mahnbrief Fulkos, des Priors von Deuil, hin auf die Klage in Rom - wegen fehlender Erfolgschance. Fulko von Deuil ist zuvor Sakristan in Saint-Florent-le-Vieil an der Loire gewesen und ist somit ein Bekannter Abaelards und Fulberts aus der alten Heimat.

Nichts habe ich je bei dir gesucht - Gott weiß es - als dich selbst: dich schlechthin begehrte ich, nicht das, was dein war. Kein Ehebündnis, keine Morgengabe habe ich erwartet; nicht meine Lust und meinen Willen suchte ich zu befriedigen, sondern den deinen, das weißt du wohl. Mag dir der Name Gattin heiliger und ehrbarer erscheinen, mir war allzeit reizender die Bezeichnung Geliebte, oder gar - verarg es mir nicht - deine Konkubine, deine Dirne. Je tiefer ich mich um deinetwillen erniedrigte, desto mehr wollte ich Gnade bei dir finden und umso weniger gerade auf diese Weise dem Ruhm deiner Vorzüglichkeit schaden... wollte mich heute der Kaiser, der Herr der Welt, der Ehre seines Ehebettes würdigen und mir zusichern, für immer über die ganze Welt gebieten zu können; für süßer und würdiger achte ich’s, deine Buhlerin zu heißen als seine Kaiserin... Heloïsa, Epist. 2

Wie gerecht war Gottes Strafe, die mich an dem Teil meines Körpers schlug, mit dem ich gesündigt hatte... Hist. Cal.

1117: Hugo v. Saint-Victor beginnt seine Lehrtätigkeit. Rupert von Deutz fordert Anselm von Laon und Wilhelm von Champeaux heraus.
1117: Anselm, zwischenzeitlich Archidiakon von Laon, stirbt.

Heloisa und Fulbert

1118/1119

Heloïsa legt auf Weisung Abaelards, den sie nach wie vor innig liebt, in Argenteuil die ewigen Gelübde ab und nimmt den Schleier. Abaelard ist völlig mittellos, nachdem er sein Vermögen durch seinen vorherigen Lebenswandel, durch die Pflegekosten für Heloïsa in Argenteuil, Kur- und Unterkunftskosten und eventuell Prozesskosten verloren hat. So tritt er unter Hinwendung zu Gott und einem religiösen Leben in Saint-Denis ein, legt die Mönchsgelübde ab und erhält alsbald die Priesterweihe. Saint-Denis, das von Abt Adam geleitete Königskloster im Norden von Paris, liegt in unmittelbarer Nachbarschaft zu Argenteuil. Reuevoll versteht Abaelard seine Verstümmelung für alle Zukunft als göttliche Bestrafung.

Allein die körperliche Trennung war das stärkste Band unserer Seelen, und unsere Liebe wurde umso glühender, je mehr die Erfüllung ihr versagt war... Hist. Cal.
Heloisa nimmt den Schleier

1119/1120

Abaelard ist Mönch

Abaelard beginnt wieder zu schreiben. Er vollendet seine Theologia Summi Boni mit dem Traktat De Unitate Et Trinitate Divina. An seine Mitbrüder schreibt Abaelard eine Exhortatio. Eine Wiederaufnahme der Vorlesungen wird Abaelard in einer Einsiedelei seines Klosters in Maisoncelles-en-Brie - zwischen Meaux und Provins - ermöglicht. Der große Zulauf und die Lehrinhalte empören die Leiter der Domschule von Reims, Alberich und Lotulf, ehemalige Kommilitonen Abaelards bei Anselm von Laon und nunmehr streitbare Widersacher. Ihre Anträge, Abaelard die Lehrtätigkeit zu untersagen, bleiben zunächst erfolglos. In diese Zeit fällt vermutlich auch ein Schmähbrief seines alten Lehrers und späteren Feindes Roscelin von Compiègne. Abaelard beklagt sich in einem Brief bei Gilbert, dem Bischof von Paris, über Roscelin.

Da nun jene mir unaufhörlich zusetzten und zudringlich bei mir anklopften, auch der Abt und die Brüder sich einmischten, zog ich mich in eine Einsiedelei zurück, um meine gewohnte Lehrtätigkeit wieder aufzunehmen. Hier strömte nun eine solche Menge von Schülern zusammen, dass weder der Raum für Quartiere noch das Land für Nahrungsmittel ausreichte... Hist. Cal.
1119: Kalixtus II. wird zum Papst gewählt. Auf den Konzil von Toulouse wird die katharische Häresie und Heinrich von Lausanne erstmals verurteilt. Petronilla von Chemille wird mit ca. 29 Jahren Äbtissin von Fontevraud.
1120: Buchard wird Bischof von Meaux und Alberich Leiter der Domschule von Reims. Roscelin von Compiègne stirbt. Norbert von Xanten gründet in Prémontré bei Laon den Prämonstratenser-Orden.

1121

Abaelard wird im April 1121 vor allem auf das Betreiben Alberichs und Lotulfs aus Reims hin vor das Konzil von Soissons zitiert: Gottfried, Bischof von Chartres, und Thierry von Chartres treten für Abaelard ein. Trotzdem werden im Beisein des päpstlichen Legaten, Bischofs Cono von Praeneste, seine Lehren verurteilt; sein Werk De Unitate et Trinitate Divina muss er eigenhändig verbrennen. Er wird zur Klosterhaft in das Kloster Saint-Médard bei Soissons verbracht; dieses Kloster dient zu dieser Zeit als Schule und Besserungsanstalt für renitente Kleriker. Abaelard sieht sich der Gehässigkeit des Priors Goswin, seines vormaligen Disputationsgegners, ausgesetzt, wird jedoch von den anderen Mönchen von Saint-Médard und Abt Gaufrid anständig behandelt. Unter Zustimmung des päpstlichen Legaten kommt es zur baldigen Entlassung nach Saint-Denis. Zurück in Saint-Denis, beginnt Abaelard sein methodisches Hauptwerk Sic Et Non und verfasst weitere logische Schriften. Abaelard entdeckt einen entscheidenden Fehler in der Gründungslegende von Saint-Denis: Dionysius Areopagita kommt als Klostergründer nicht in Frage. Er rüttelt dadurch an der Klosterideologie und zieht sich die unversöhnliche Feindschaft seiner Mitbrüder und des Abtes Adam zu. Aus Furcht vor einer Anklage vor dem Königsgericht flieht Abaelard mit Hilfe einiger Schüler und Mitbrüder zu einem befreundeten Prior nach Saint-Ayoul in Provins, der vermutlich den Namen Radulf trug. Er verlässt damit den Einflussbereich des französischen Königs. Provins gehört zum Machtbereich Theobalds des Großen, des Grafen der Champagne. Er ist auch Graf von Blois und Chartres und ein Verwandter Wilhelms des Eroberers. Weitschichtig ist das Grafenhaus auch mit Heloïsas Familie mütterlicherseits verwandt.  Abaelard wird durch den Grafen, den er bereits früher kennengelernt hat, unterstützt.

Ich wurde vor das Konzil gerufen, und ohne Untersuchung, ohne Prüfung zwang man mich, mein erwähntes Buch mit eigener Hand ins Feuer zu werfen. Und so ward es verbrannt... Hist. Cal.

Vergeblich wirfst du die Perlen des göttlichen Wortes vor die Säue... Heloïsa, Epist. 2

1121: Wilhelm von Champeaux stirbt vor dem Konzil. Stephan von Garland, Archidiakon von Paris und Kanzler des Königs, erhält zusätzlich das Amt des Seneschalls; er befindet sich somit auf dem Höhepunkt seiner Karriere.

Saint-Medard in Soissons

1122

Graf Theobald und Abt Adam von Saint-Denis verhandeln über die Loslösung Abaelards aus dem Klosterverband in Provins - zunächst ohne Ergebnis. Nach Adams plötzlichen Tod kommt es zur Einigung mit seinem Nachfolger Suger - mit Hilfe des Bischofs von Meaux und durch Vermittlung Kanzlers Stephan von Garland: Abaelard wird aus der Klausur entlassen, aber zu einem Leben nach der Regel verpflichtet. Er darf in kein anderes Kloster eintreten. Abaelard erhält ein Stück Land am Ardusson bei Nogent-sur-Seine, Pfarrei Quincey, Diözese Troyes, und gründet dort im Schilf eine Einsiedelei. Mit Genehmigung des Bischofs und mit Hilfe eines befreundeten Klerikers errichtet er im März 1122 ein kleines Oratorium, zunächst dem Heiligen Dionysius und der Heiligen Dreifaltigkeit, später dem Heiligen Geist geweiht. Abaelard belegt diesen mit dem griechisch Wort Paraklet, weswegen das Oratorium einschließlich der entstehenden Ansiedlung nach kurzem Paraklet genannt wird. Abaelard nimmt aus Geldmangel seine Vorlesungen dort wieder auf und erhält erneut großen Zulauf.

Als das meine Schüler erfuhren, begannen sie von allen Seiten zusammenzulaufen und, nachdem sie ihre Städte und Burgen verlassen hatten, die Einsamkeit zu bevölkern, statt geräumiger Häuser sich enge Hütten zu bauen, statt raffinierter Speisen wilde Kräuter und Schwarzbrot zu genießen, statt weicher Betten sich ein Lager aus Binsen und Stroh herzurichten, statt der Tische Rasenbänke aufzustellen. Man hätte wirklich glauben können, sie wollten die alten Philosophen nachahmen... Hist. Cal.
1122: Abt Adam von Saint-Denis stirbt am 13. Februar. Suger wird sein Nachfolger am 10. März. Heinrich Sanglier, ein Vetter Stephans von Garland, wird Erzbischof von Sens. Petrus Venerabilis wird Abt von Cluny.

Suger von Saint-Denis

1123-1127

Um Abaelard scharen sich zahlreich Schüler, die zugunsten des Eremitenlebens die Städte verlassen. Sie errichten eine große Hüttensiedlung beim Paraklet. Abaelard erfährt dabei die rührende Aufopferung der Schüler. Der Dichter Hilarius, vormals Lehrer für Literaturgeschichte in Orléans und Sekretär der Äbtissin von Le Ronceray in Angers, stößt 1126 vorübergehend zu Peter Abaelard und widmet ihm zwei seiner Gedichte. Eventuell sucht auch Arnold von Brescia Abaelard im Paraklet auf. Abaelard überarbeitet hier seine dialektische Quellensammlung Sic Et Non, erstellt eine erste Fassung der Theologia Christiana, außerdem eine Grammatica und Rhetorica, welche heute verloren sind. In diese Jahre fällt somit eine reiche Schaffensperiode Abaelards.
1124: Gilbert, Bischof von Paris, stirbt. Sein Nachfolger wird der orthodoxe Stephan von Senlis, ein Gegner Stephans von Garland. Auf Betreiben Wilhelms von Saint-Thierry greift Bernhard von Clairvaux in seiner Schrift "Apologia ad Guillelmum" scharf den Orden von Cluny an.

Ardusson heute

1125

Heloïsa wird Priorin des Klosters Argenteuil und nimmt somit nach der Äbtissin Mathilde den zweithöchsten Rang ein. Aus dieser Zeit ist ein so genanntes Totenrotel - eine Rolle von Trauergedichten aus einzelnen Klöstern - erhalten, das anlässlich des Todes von Abt Vitalis aus dem Kloster Savigny kursierte. Es enthält als vierzigste Elegie eine Handschrift aus dem Kloster Sainte-Marie in Argenteuil. Gute Gründe sprechen dafür, dass es sich dabei um die persönliche Handschrift Heloïsas handelt.
1125: Lothar von Supplinburg wird deutscher König und Kaiser.
1126: Peter von Bruys wird in Saint-Gilles als Ketzer verbrannt.

1127

Erneut sieht sich Abaelard wegen seines Erfolgs der Hetze Alberichs und Lotulfs ausgesetzt. Hinter den Lügenaposteln, die Abaelard nennt, ohne ihr Inkognito zu lüften, verbergen sich jedoch mit einiger Wahrscheinlichkeit Bernhard von Clairvaux und Norbert von Xanten, der Stifter des Prämonstratenserordens und spätere Erzbischof von Magdeburg. Von letzterem ist allerdings keine Schrift gegen Abaelard erhalten. Die politische Lage in der Champagne wird nach einem Zerwürfnis des französischen Königs mit den mächtigsten Clans seines Landes - mit den Familien Montfort und Garland - unsicher: sie wird mit Krieg überzogen. Abaelard fühlt sich bedroht; er spürt, dass er sehr weit weg muss, um den künftigen Nachstellungen der Franken zu entgehen. So zieht er sogar eine Flucht zu den heidnischen, aber bildungsfreundlichen Mauren nach Spanien in Erwägung. Da erhält er einen Ruf in die Bretagne: Er wird Abt von Saint-Gildas auf der Halbinsel Rhuys, südlich von Vannes, an der Bucht von Morbihan. Eventuell handelt es sich bei dieser Promotion um eine letzte Vermittlungsleistung Stephans von Garland und/oder des Grafen Theobald. Oder Abaelard wurde von Conan III., dem Herzog der Bretagne und Grafen von Nantes, mit dem er auch später Kontakt haben wird, dazu berufen. Abaelard wird von dem Versprechen, in kein anderes Kloster einzutreten, durch Suger, Abt von Saint-Denis, entbunden. Offensichtlich ist man froh, ihn los zu werden. Die Schüler Abaelards sind enttäuscht. Hilarius, sein treuer Anhänger, geht nach Angers und setzt dort sein Studium fort. Nach und nach verlaufen sich alle anderen. Das Paraklet-Oratorium bleibt verwaist zurück.

Gott ist mein Zeuge: Sooft ich vernahm, dass eine Versammlung von Männern der Kirche zusammentrete, fürchtete ich schon, es geschehe zu meiner Verurteilung. Schreckensstarr wie vor dem Schlag eines herabfahrenden Blitzes wartete ich darauf, dass ich als Ketzer oder Heide vor ihre Versammlungen und Schulen geschleppt würde. Und in der Tat - um den Floh mit dem Löwen, die Ameise mit dem Elefanten zu vergleichen -, meine Feinde verfolgten mich mit derselben unbarmherzigen Wut wie die Ketzer einst den heiligen Athanasius... Hist. Cal.
1127: Stephan von Garland wird entmachtet, er behält nur seine geistlichen Ämter. Simon, ein Neffe Sugers von Saint-Denis, wird Kanzler des französischen Königs. In der Champagne brechen Kämpfe aus. Bernhard kritisiert den Prunk der Basilika von Cluny.

Saint-Gildas en Rhuys heute

1127-1133

Nach dem Amtsantritt in Saint-Gildas erfährt Abaelard eine große Enttäuschung - wegen der geringen Zucht der Mönche und der Regelwidrigkeit ihres Lebens. Er verbringt einsame Jahre in Saint-Gildas - in feindseliger Umgebung, in einem fremden Land mit fremder Sprache. Denn hier spricht man einen keltisch-bretonischen Dialekt, der Abaelard unbekannt ist: In seiner Heimat südlich von Nantes herrscht das romanische Idiom vor. Abaelard scheitert an der personellen Neuorganisation des Klosters. Er entgeht nur mit Mühe mehreren Mordanschlägen seiner Mitbrüder durch Gift und Schwert; oft muss er sich aus Sicherheitsgründen außerhalb des Klosters in einer Klause aufhalten. Auch die Mithilfe des päpstlichen Legaten, Gottfried von Chartres, eines alten Gönners, fruchtet nichts. Außerdem zieht sich Abaelard bei einem Sturz vom Pferd eine Halswirbelsäulenverletzung zu, an der er noch lange leiden wird. Trotzdem muss Abaelard einige regionale Bedeutung als Abt erlangt haben. So erscheint sein Name anlässlich der Weihe einer Kapelle der Nonnen von Ronceray im Beisein Graf Conans III. am 15. März 1128. Den Grafen besucht er nach eigenen Angaben anlässlich einer Erkrankung in Nantes. In Saint-Gildas entstehen seine Sermones, Predigten, sowie die Planctus, Klagegedichte auf Heroinen des Alten Testaments. Zunehmende Reisetätigkeit führt ihn in seine alte Heimat südlich von Nantes, ab 1130 auch häufig zum Paraklet.

Erst in der Abfolge von Katastrophen und in der Bindung dieses Paares, in der er für sie Gott ist in dem bedrohlichen Sinn, den diese Erfahrung für Gläubige des 12. Jahrhunderts hat, und sie der einzige Mensch seines Lebens, der ihm als Mensch, als unverwechselbarer und einziger begegnet, wird Abaelards Fähigkeit entbunden, etwas zu tun nicht zum eigenen Ruhm und in der Zerstörung anderer, Liebe zu erfahren und zu geben und aus dieser Liebe zu dichten und zu singen und eine neue Theologie der Liebe zu denken. Heloïsa hat den Verstand des Intellektuellen Abaelard in die Liebe sublimiert, ihm Menschsein ermöglicht und das Christentum wieder vom Menschen her erfahrbar gemacht...  Podlech, Abaelard und Heloïsa
Chor von Saint-Gildas aus dem 12. Jhdt.

1129

Abt Suger von Saint-Denis vertreibt die Nonnen aus Argenteuil, darunter auch die Priorin Heloïsa. Ein angebliches altes Besitzrecht von Saint-Denis auf Argenteuil wird durch Papst Honorius II. bestätigt. Die Verpflichtung, die Nonnen anderswo unterzubringen, wird vom Hauptkloster nur zum Teil erfüllt - ca dreißig von ihnen werden im Konvent von Malnoué östlich von Paris aufgenommen. Priorin Heloïsa verweigert diese Art der Internierung. Abaelard erfährt von der Vertreibung; sogleich lädt er seine vormalige Geliebte und Gattin ein, sich mit den ihr folgenden Nonnen im verwaisten Paraklet niederzulassen. Ein Frauenkonvent wird dort gegründet.

Während diese sich nun heimatlos in verschiedene Richtungen zerstreuten, erkannte ich, dass der Herr selbst mir hier eine Gelegenheit biete, für mein Oratorium zu sorgen. Ich kehrte nun dorthin zurück und lud Heloïsa mit den wenigen Nonnen aus ihrer Kongregation, die noch an ihr hingen, nach dem Paraklet ein. Als ich sie dorthin geführt hatte, übereignete und schenkte ich ihnen das Oratorium mit allem, was dazugehörte... Hist. Cal.
Nonnen beim Gebet

1130/1131

Wiederholt reist Abaelard von der Halbinsel Rhuys in der Bretagne zum Paraklet wegen der Übergabemodalitäten. Er bemüht sich um Bestätigung seiner Schenkung, unterstützt durch seinen Anschluss an die Anhänger des Papstes Innozenz II.

Als ich sie dorthin geführt hatte, übereignete und schenkte ich ihnen das Oratorium mit allem, was dazugehörte. Und diese Schenkung hat, dank der Zustimmung und Verwendung des Landesbischofs, Papst Innozenz II. ihnen und ihren Nachfolgerinnen durch ein Privilegium für alle Zeiten bestätigt... Hist. Cal.
1130: Es erfolgt die unglückselige Doppelwahl zweier Päpste in Rom: Anaklet II. (-1138) und Innozenz II. (-1143); das Schisma beginnt. Innozenz geht ins Exil nach Frankreich. August/September wird das Konzil von Étampes gegen Anaklet II. zusammengerufen; Bernhard bestätigt die Papstwahl Innozenz' II., unter Mitwirkung von Petrus Venerabilis. Vermutlich weilt auch Abaelard auf diesem Konzil. Im Oktober weiht Innozenz II. die Basilika in Cluny. Die Kathedrale von Sens wird gebaut.

1131
20. Jan.

Abaelard nimmt als Abt an der Altarweihe im Benediktinerkloster Morigny durch Innozenz II. teil. Vermutlich bewirkt er dabei die Bestätigungsbulle für das Nonnenkloster Paraklet. Er bittet wohl auch um Unterstützung durch den päpstlichen Legaten Gottfried von Chartres gegen die Angriffe der Mönche von Rhuys.
 

1131
23. Nov.

Papst Innozenz II. erlässt in Auxerre  die Bestätigungsbulle für das Paraklet-Kloster. Heloïsa wird als Leiterin des Nonnenklosters unter der Amtsbezeichnung einer Priorin anerkannt. Später werden zwölf weitere Bullen verschiedener Päpste folgen, die die Bedeutung des Klosters als papstunmittelbar unterstreichen und Heloïsa als Diakonisse bzw. Äbtissin bestätigen.
 

1131-1133

Im Gespräch

Abaelard ist zunehmend häufig von Saint-Gildas abwesend. Um das Einleben der Nonnen im Paraklet zu erleichtern, übernimmt er zunächst mit Elan die ökonomische und geistliche Betreuung. Aber bald sieht er sich neuen Verleumdungen und Verdächtigungen ausgesetzt; man wirft ihm absurderweise eine Wiederaufnahme der Liebesbeziehung zu seiner ehemaligen Frau und Geliebten vor. Verbittert verlässt er das Paraklet-Kloster. Kurz danach visitiert Bernhard von Clairvaux das Kloster. Er kann nichts Regelwidriges finden, kritisiert jedoch die Abaelardsche Fassung des Vaterunsers im Paraklet: Die Rede ist vom supersubstantiellen statt vom täglichen Brot - entsprechend der Formulierung des Matthäus-Evangeliums. Von Heloïsa darüber unterrichtet, antwortet Abaelard Bernhard mit heftigen Gegenvorwürfen in einem Brief. Er entkommt erneuten Anschlägen seiner Brüder nur mit viel Glück.

...so suchten sie mich sogar während des Hochamts am Altar zu vergiften, indem sie mir Gift in den Kelch mischten. Als ich eines Tages nach Nantes ging, um den Grafen in seiner Krankheit zu besuchen, und ich bei einem meiner leiblichen Brüder zu Gaste war, so versuchten sie, mich durch einen Diener aus meinem eigenen Gefolge vergiften zu lassen, da sie offenbar meinten, vor einem solchen Anschlag sei ich weniger auf der Hut. Durch göttliche Fügung aber geschah es, dass ich von der Speise, die man mir vorsetzte, nichts anrührte, während ein Klosterbruder, den ich mitgenommen hatte, aus Unkenntnis davon aß und auf der Stelle tot niederfiel, worauf jener Diener, der dies gewagt hatte, durch sein Gewissen und durch den Tatsachenbeweis erschreckt, die Flucht ergriff.   Hist.  Cal.

Abaelard erstellt seine Autobiographie, die Historia Calamitatum. Schlussendlich verlässt er Saint-Gildas für immer - zu welchem Zeitpunkt, ist nicht überliefert. In diesen Jahren entsteht der berühmte Briefwechsel mit Heloïsa, eventuell kommt es später zu einer gemeinsamen Redaktion des persönlichen Briefwechsels (II-IV), des Nonnenspiegels (VI/VII) und der Klosterregel (VIII). In diese Zeit fällt auch die Abfassung der Problemata Heloissae (exegetischer Dialog mit Heloïsa), des Hymnarius Paraclitensis (Hymnenzyklus), der Expositio ad Hexaemeron (Genesiskommentar zum Sechstagewerk). Über eine Lehrtätigkeit in Reims darf spekuliert werden. Otto von Freising soll damals Hörer Abaelards gewesen sein.

Ihrem Herrn, ja vielmehr Vater; ihrem Gatten, vielmehr Bruder - seine Magd, nein, seine Tochter; seine Gattin, nein, seine Schwester; ihrem Abaelard - Heloïsa... Anfang Epist. 2

...innig geliebter Mann... je lieber ich den Verfasser selbst umarmen mag, damit mich der, dessen Nähe ich verlor, wenigstens mit Worten - sozusagen seinem Abbild - erquicke... Heloïsa, Epist. 2

1131: Abt Petrus Venerabilis von Cluny richtet eine Streitschrift gegen die Petrobrusianer.
1132: Stephan von Garland wird wieder Kanzler des Königs.

 

 

 

Unterweisung der Frauen

1133-1138

Mont Saint-Geneviève heute

Vielleicht lehrt Abaelard unter der Ägide Stephans von Garland  eine Zeit lang bei Paris im Stift auf dem Genovevaberg, wahrscheinlicher jedoch an der Kirche Saint-Hilaire ganz in der Nähe, welche zum Säkularkanonikerstift Saint-Marcel gehört. Es kommt zu einem nochmaligen Zulauf von Schülern aus aller Welt. Zu den damaligen Schülern zählen: Otto von Freising, Roland Bandinelli (später Papst Alexander III.), Guido von Cittá di Castello (später Papst Coelestin III.), Peter von Celle (später Bischof von Chartres). 1136 hört ihn auch Johann von Salisbury; er erwähnt dies in seinem Werk Metalogicon. Abaelard liest vor allem aus seinem in Saint-Gildas erweiterten moralphilosophischen Hauptwerk Ethica seu Scito Te Ipsum und aus weiteren Werken: Theologia Scholarium, Commentaria ad Romanos. Er wird so in ganz Europa als Philosoph und Theologe bekannt. Vermutlich fällt in diese Zeit auch ein Teil seines Briefwechsels mit Heloïsa. In den Kreisen Bernhards von Clairvaux und des konservativ-orthodoxen Klerus herrscht große Unruhe über die neuartige Lehre und Methode Abaelards und seine literarische Tätigkeit.

Er war ein Mensch, in dessen Leben und Denken der Vorauswind des Renaissance-Zeitalters zu verspüren war. Abaelard schrieb, was er dachte. Er dachte kühn und selbständig, abseits der damals üblichen monotonen Repetitionen überlieferter Autoritäten. Im 12. Jahrhundert zeichnete sich auf vielen Gebieten ein Umbruch, ein Neuansatz ab: in der Kunst der Gotik, die die herrschende Romanik ablöste - in der Begegnung mit der arabisch-islamischen Geisteswelt - im Denkansatz der Vernunft (intellego ut credam), deutlich abgehoben von der bisherigen Denkposition (credo ut intellegam)... Alfred Läpple, Ketzer und Mystiker
1133: Abt Sugers Schriften über den Kathedralbau ("Ordinationes", "De Consecratione", De Administratione") inaugurieren den Beginn der Renovierungs in Saint-Denis. Er entsteht mit dem Chorumgang der erste Sakralbau auf europäischem Boden in gotischem Stil.
1134: Papst Innozenz II. lässt auf dem Konzil von Pisa Heinrich von Lausanne erneut als Ketzer zu Gefängnis verurteilen.
1136: Alberich von Reims wird Erzbischof von Bourges.
1135: Thierry von Chartres entsendet seinen Schüler Hermann von Kärnten nach Spanien mit dem Auftrag, naturphilosophische Werke der Araber zu übersetzen. Stephan von Blois wird König von England.
1136/1137: Bernhard von Clairvaux reist im Winter nach Italien; er wird erst nach Beendigung des Schismas 1138 wieder nach Frankreich zurückkehren.
1137: König Ludwig VI. von Franzien stirbt. Sein Nachfolger wird Ludwig VII., der Junge, verheiratet mit Eleonore von Aquitanien. Stephan von Garland verliert unter dem neuen König endgültig seinen Einfluss am Hof. Suger von Saint-Denis triumphiert; er wird der wichtigste Berater des Königs. Arnold von Brescia wiegelt die lombardischen Städte zum Widerstand gegen die Papstkirche und den Kirchenstaat auf.

1135
17. Juni

Innozenz II. verleiht dem Paraklet die offiziellen Klosterprivilegien durch eine weitere Bulle. Er stellte das Kloster durch ein besonderes Vorrecht unter seinen Schutz und seine direkte Rechtsprechung.

Innozenz, Bischof, Diener der Diener Gottes, seinen lieben Töchtern in Jesu Christo, der Priorin Heloïsa und ihren Schwestern, den gegenwärtigen und den künftigen, unterworfen dem göttlichen Joch im Oratorium der Heiligen Dreieinigkeit in der Diözese von Troyes und der Pfarrgemeinde von Quincey, am Flusse Ardusson. Es ziemt uns, wohlwollenden Sinnes alle vernünftigen Bitten zu erfüllen. Daher, liebe Töchter in Jesu Christo, Euren berechtigten Gesuchen zustimmend, nehmen wir das Kloster der Heiligen Dreieinigkeit, in dem Ihr dem göttlichen Dienst obliegt, unter den Schutz des Apostolischen Sitzes... Paraklet-Bulle Papst Innozenz II.

Papstbulle von Innozenz II. 1136

ab 1138 bis 1140

 
Ein von Schülern anonym zusammengestellter Liber Sententiarum, der die Hauptlehren Abaelards zum Teil nur entstellt wiedergibt, und die Theologia Scholarium lösen zunehmend den offenen Widerstand konservativer Theologen aus. Abaelard lehrt eventuell weiterhin in enger Verbindung zu Gilbert de la Porrée bei der Kirche des Heiligen Hilarius am linken Seine-Ufer, wie Johann von Salisbury in seiner Historia Pontificalis berichtet, oder er verlässt mit unbekanntem Ziel Paris. Zwischenzeitlich hat sich Abaelards Lehre und Methode in den Schulen Frankreichs weit verbreitet. Eines Tages schreibt der Theologe Walter von Mortagne aus Laon einen Brief an Abaelard  wegen verfänglicher theologischer Lehren, zunächst in noch respektvollem Ton. Wenig später kommt es zu mehrfachen Verhandlungen zwischen Bernhard und Abaelard - zum Teil unter vier Augen, zum Teil unter Zeugen. Dabei ist der Ton anfänglich noch freundschaftlich. Doch dann verhärten sich die Fronten. Wilhelm von Saint-Thierry beschuldigt im Frühjahr 1140 in einer ersten Anklageschrift - gerichtet an Bischof Gottfried von Chartres und Bernhard von Clairvaux - Abaelard der Häresie; er ruft seinen Mitbruder Bernhard an, sich der Sache nun in allem Ernst anzunehmen. Nachdem Abaelard nicht bereit ist, seine Lehrsätze zurückzunehmen oder grundsätzlich zu ändern, geht Bernhard von Clairvaux an die Öffentlichkeit: Er sucht mehrfach Paris auf und predigt 1140 gegen Abaelard, außerdem führt er öffentlich Beschwerde beim Erzbischof von Sens und zeigt Abaelard beim Heiligen Stuhl an. Dazu stellen Bernhard von Clairvaux und Thomas von Morigny in getrennten, aber teilweise abgestimmten Redaktionen Anklageschriften gegen Peter Abaelard zusammen. Der Kanoniker Hugo Metellus aus Toul schreibt gegen Peter Abaelard. Abaelard schreibt an seiner Verteidigungsschrift Ne Juxta Boethianum. Irgendwann, vermutlich erst längere Zeit nach seiner Verurteilung auf dem Zweiten Laterankonzil im Jahr 1141, stößt auch Arnold von Brescia, der schon zuvor gegen den Amtsklerus und den Kirchenbesitz in Oberitalien gepredigt hat, zu Peter Abaelard.
1138: Gegenpapst Anaklet II. stirbt; das Schisma ist beendet. Der Staufer Konrad III. wird deutscher König.
1139: Das zweite Laterankonzil unter Papst Innozenz II. beschließt die Absetzung der von Anaklet geweihten Bischöfe, die Annullierung aller Ehen von Klerikern, Priestern und Mönchen und führt somit den Zwangszölibat ein. Außerdem verabschieden die Bischöfe ein Anti-Katharer-Dekret. Arnold von Brescia wird mit dem Schweigegebot belegt und aus Italien vertrieben.

1141
Frühjahr

 
Wegen der Verleumdungen verlangt Peter Abaelard von Erzbischof Heinrich von Sens die Gelegenheit zu öffentlicher Verteidigung und die Vorladung Bernhards von Clairvaux zum beiderseitigen Disput. Eventuell ist bei der Vermittlung des Termins nochmals Stephan von Garland hilfreich. Er ist ein Vetter des Erzbischof aus Sens.

Abaelard gleicht sich selbst nicht: Er übersteigt sein Maß; in der Weisheit seines Wortes höhlt er die Kraft des Kreuzes Christi aus - Alles kennt er, was im Himmel und auf Erden ist, nur sich selbst nicht - Was verschlossen und versiegelt ist, öffnet er nicht, er reißt es entzwei... Bernhard von Clairvaux

Kathedrale von Sens

1141
25. Mai

 
Das Konzil von Sens tritt am Oktavtag von Pfingsten zusammen. Als Abaelard erkennt, dass seine Thesen von den Bischöfen der Kirchenprovinzen Reims, Sens und Paris - der Bischof von Paris selbst fehlt auf dieser Versammlung - schon am Vorabend auf Betreiben Bernhards von Clairvaux als ketzerisch verurteilt worden sind, lehnt er die Zuständigkeit der Versammlung ab. Er widerruft weder seine Thesen noch besteht er auf der versprochenen Disputation, sondern appelliert stattdessen an den Heiligen Stuhl und verlässt die Versammlung, bei der auch König Ludwig VII. und der Graf von Nevers anwesend sind. Es steht zu vermuten, dass sein ehemaliger Schüler Hyazinth Bobo, Prior der Subdiakone an der Lateransbasilika, anwesend ist und Abaelard zu dem Appell an den Heiligen Stuhl rät. Es kommt zu einer Verurteilung der Lehre Abaelards durch das Konzil nach seinem Weggang: Vierzehn Thesen und zwei Werke Abaelards werden als häretische Machwerke verurteilt. Man erhebt die Forderung nach Publikationsverbot und Verdammung seiner Schriften. Wo Abaelard die nächsten Wochen zubringt, ist unbekannt. Abaelard arbeitet an seiner Verteidigungsschrift: Confessio Universis Ecclesiae und verlässt sich bezüglich seines Appells in Rom auf seine dortigen Unterstützer, Subdiakon Hyazinth Bobo und Guido von Cittá di Castello, beide nachmalige Päpste. Doch nach Bernhards massiver brieflicher Intervention beim Papst und einzelnen Kurienmitgliedern fällt die Entscheidung zu Ungunsten Abaelards aus.
Konzil von Sens

1141
16. Juli

 
Auf getrennte Schreiben der Bischöfe von Sens und Reims und auf das Drängen Bernhards von Clairvaux hin verurteilt Papst Innozenz II. im Schnellverfahren die Schriften und Lehrsätze Abaelards zusammen mit ihrem Urheber als ketzerisch und spricht ein erstes Schweigegebot für Abaelard aus. Seinen Anhängern wird mit Exkommunikation gedroht.

Gleichzeitig sendet Papst Innozenz II. einen kurzen Justizbrief, genauer einen Haftbefehl für Peter Abaelard und Arnold von Brescia an die Bischöfe der Franzia und Bernhard von Clairvaux. In Rom verbrennt man öffentlich die in Sens verurteilten Werke Abaelards. In Paris wird das Urteil gegen Abaelard wegen der aufgeheizten Stimmung vermutlich nie veröffentlicht, weil die hierzu geplante Bischofssynode wegen der instabilen politischen Lage nicht zustande kommt. Ob die von Thomas, den ehemaligen Abt von Morigny, der gerade im Kluniazenser-Priorat Saint-Martin-des-Champs bei Paris weilt, verfasste Streitschrift gegen Abaelard, die alle inkriminierten Anklageartikel zusammenfasst und Abaelards Verteidigungsschriften kritisiert - die Disputatio patrum catholicorum - noch eine offizielle Verwendung findet, ist unbekannt.

 
     

1141
Herbst

Als Abaelard von dem Internierungsgebot erfährt und nun mit Verhaftung zu rechnen hat, sucht er, möglicherweise auf Heloïsas Anregung hin, im Priorat Saint-Ayoul in Provins, Zuflucht - leider vergebens. Dort - in der Nähe des Paraklet-Konvents - war er bereits im Winter 1121 als Flüchtiger aufgenommen worden. Abaelard erkennt die Aussichtslosigkeit seiner Sache und schlägt den Weg nach Cluny ein. Einem seiner Schüler - Berengar - gibt er ein Schreiben an Heloïsa - die Confessio fidei für Heloïsa -, mit dem Auftrag, es ihr zu überbringen. Ob es die Adressatin je erreicht hat, ist unbekannt. Wenig später trifft Peter Abaelard endgültig in Cluny ein. Er wird von Großabt Petrus Venerabilis, der damit das Urteil des Papstes formell, aber nicht inhaltlich vollzieht, freundlich und in Ehren aufgenommen. Eine Weiterreise nach Rom ist nicht mehr möglich, denn es haben sich zu diesem Zeitpunkt bei Abaelard bereits erste Zeichen der zum Tode führenden Krankheit und ein Kräfteverfall eingestellt. Er leidet in der Folge an Krätze und vermutlich an progredienter Lungentuberkulose. So bleibt er auf Rat des Abtes Petrus Venerabilis auf Dauer in Cluny. Man bereitet seine Aussöhnung mit Bernhard von Clairvaux vor. Eventuell arbeitet der greise Abaelard auch an weiteren Werken - an seiner Expositio in Hexaemeron, der Ethica, am Lehrgedicht für seinen Sohn, dem Carmen ad Astralabium, und an einer letzten Version des Dialogus inter Philosophum, Iudaeum et Christanum, den er nicht mehr ganz vollendet.

Um der Logik willen bin ich der Welt verhasst. Die blinden Blindenleiter, deren Weisheit Verderben ist, behaupten nämlich, in der Logik sei ich zwar wohl bewandert, aber im Paulus, da hinke ich stark. Und während sie meinen Scharfsinn preisen, verdächtigen sie die Reinheit meines christlichen Glaubens... Ich will nicht in der Weise Philosoph sein, dass ich den Paulus zurückstieße, nicht so Aristoteles, dass ich von Christus getrennt würde. Denn es ist kein anderer Name unter dem Himmel, unter dem ich selig werden könnte...    Abaelards Glaubensbekenntnis an Heloïsa

Dem höchsten Priester und unserem besonders verbundenen Vater, Herrn und Papst Innozenz, sein Bruder Petrus, in Demut Abt der Kluniazenser, Gehorsam und Liebe! Magister Petrus, Eurer Weisheit, wie ich glaube, bestens bekannt, war neulich, als er aus Franzien kam, auf der Durchreise in Cluny. Wir fragten, wohin er fahre. Er antwortete, er fühle sich bedrückt von den Schikanen gewisser Leute, die ihm - wovor er weit zurückschreckte - den Titel eines Häretikers verliehen; er habe an die apostolische Majestät appelliert und wolle sich zu ihr flüchten. Wir lobten seinen Vorsatz und mahnten ihn, sich zu dieser allgemein bekannten Zuflucht zu flüchten. Die apostolische Gerechtigkeit, die sich noch keinem Auswärtigen oder Fremden versagte, werde sich auch ihm nicht versagen, behaupteten wir... Petrus Venerabilis an Papst Innozenz II.

Cluny III.

1141: Hugo von Saint-Victor verstirbt. Ludwig VII. zieht nach Aquitanien und kehrt im Herbst zurück. Wegen seiner Invektiven gegen den gewählten Erzbischof von Bourges wird er vom Papst exkommuniziert und sein Land mit dem Interdikt beleget. Es bricht der Krieg mit der Champagne aus. Hermann von Kärnten übersetzt unter dem Patronat von Abt Petrus Venerabilis erstmalig den Koran ins Lateinische. 

 

 

Spätherbst 1141

Saint-Marcel heute

Petrus Venerabilis bewirkt die formelle Aussöhnung Abaelards mit Bernhard von Clairvaux. Dass dies die Lösung des Bannes durch Innozenz II. zur Folge hat, ist nicht anzunehmen. Zumindest existiert kein beweisendes Schriftstück in diesem Sinne. Wegen rascher gesundheitlicher Verschlechterung schickt Petrus Venerabilis Abaelard zur Erholung nach Chalon-sur-Saône in das Kluniazenser-Priorat Saint-Marcel. Abaelards letale Krankheit schreitet ungeachtet der Klimakur fort. Vermutlich arbeitet er in Saint-Marcel noch an seinen Werken.

Wir bemühten uns um seinen Frieden und ermahnten Abaelard, er solle mit dem Abt persönlich zu Bernhard gehen. Wir fügten unseren Ermahnungen dies hinzu, dass er, wenn er irgendwelche für die Ohren Rechtgläubiger anstößige Sätze geschrieben oder ausgesprochen habe, sie nach dessen und anderer guter und weiser Männer Mahnung aus seinen Äußerungen entfernen und aus seinen Büchern tilgen solle. Und so geschah es. Er ging, kam zurück und berichtete nach seiner Rückkehr, er sei mit dem Herrn von Clairvaux unter Vermittlung des Zisterziensers friedfertig übereingekommen, nachdem die früheren Streitigkeiten beschwichtigt worden seien... Petrus Venerabilis an Papst Innozenz II.
 

1142
21. April

Abaelard verstirbt in Saint-Marcel bei Chalon-sur-Saône nach einem erfüllten Leben und wird zunächst in diesem Priorat bestattet.

In diesem Ende erfüllte Magister Petrus seine Tage, und er, der wegen seiner einzigartigen Wissensbeherrschung fast dem gesamten Erdkreis bekannt und überall berühmt war, verharrte sanftmütig und demütig in der Schülerschaft dessen, der gesagt hat: "Lernet von mir, denn ich bin sanftmütig und von Herzen demütig!" Und so ist er, wie es sich zu glauben gebührt, zu ihm selbst hinübergegangen... Petrus Venerabilis an Heloïsa
1142: Petrus Venerabilis weilt größtenteils wegen einer Missionsreise in Spanien.

1142
16. Nov.

Petrus Venerabilis

Petrus Venerabilis begleitet nach seiner Rückkehr aus Spanien den Leichnam Abaelards persönlich zum Paraklet und übergibt ihn der Äbtissin. Dort wird er - einem früheren Wunsche Abaelards entsprechend - mit kirchlichen Ehren im Oratorium Petit Moustier am Fuße des Hauptaltars in einer Gruft bestattet. Abaelard wird durch Petrus Venerabilis von all seinen Sünden freigesprochen. Heloïsa lässt auf einer Grabstele den Epithaph, den Petrus Venerabilis auf ihren Wunsch hin zusammenstellte, eingravieren:

Es genügt als Überschrift: Peter Abaelard liegt hier. Ihm allein stand offen, was immer auch zu wissen war... Petrus Venerabilis

Der Paraklet war Abaelards stolze Schöpfung und neben Le Pallet und Cluny der einzige Ort, wo er bei seinem innerlich und äußerlich angefochtenen Leben hatte zeitweilig aufatmen können. Die Überführung belegt letztlich Heloïsas ungebrochene Liebe zu Abaelard...

Könnte es Euch auch gefallen, mir noch ein anderes Siegel zu schicken, in dem die Absolution unseres Lehrers in unzweideutigem Wortlaut enthalten sein soll, damit es auf seinem Grab angebracht werden kann... Heloïsa an Petrus Venerabilis
1143: Papst Innozenz II. stirbt in Rom. Lucius II. wird sein Nachfolger für ein Jahr, dann folgt Papst Eugen III., ein Schüler Bernhards von Clairvaux. Die Katharer treten erstmals auch in Köln auf, verbreiten sich in Flandern.
1144: Die neue frühgotische Kathedrale von Saint-Denis wird eingeweiht.
1145/1146: Arnold von Brescia predigt in Rom eine Laienkirche der Armen gegen den Amtsklerus und das Pontifikat; er verbündet sich mit dem Senat, um die Republik auszurufen, und verdrängt zeitweise Papst Eugen III. aus Rom. Das Portal der Kathedrale von Chartres wird begonnen.

1147
1. Nov.

Paraklet heute

Auf Anfrage Heloïsas und ihres Konvents bestätigt Papst Eugen III. den umfangreichen Grundbesitz des Paraklet in Mittelfrankreich. Die Bulle enthält eine äußerst detaillierte Liste aller Besitzungen und bestätigt der Äbtissin und den Nonnen das Besitzrecht für alle Zeiten. Das Kloster hat Besitzungen in den Regionen Aube, in Seine-et-Marne, in Marne, in Yonne und Oise. Es verfügt unter anderem über Länder, Wälder, Teiche, Wiesen, Mühlen, Weinberge und Häuser in Quincey, Fontenay de Bossery, Ferreux, La Saulsotte, Saint-Pierre de Bossenay, Pont-sur-Seine, Pommereaux, Chalautre, Montpothier, Saint-Aubin, Pouy-sur-Vannes, Marcilly le Hayer, Marigny le Chatel, Traînel, Villemaur, Sézanne, Bethon, Baudemont, Potangis, Planty, Villeneuve l‘Archevêque, Bercenay, Crèvecoeur, Provins, Marolles, Lésines, La Pommeraie, Maizières la Grande Paroisse, Origny le Sec, Saint-Parres, Avant-les-Marcilly, Périgny la Rose, La Chapelle Godefroy, Ormeaux, Nogent-sur-Seine, Ossey les Trois Maisons, Frenoy, Saint-Lupien.

Und nach einem Jahr - Gott mag es bezeugen - waren sie an irdischem Besitz reicher, als ich es geworden wäre, wenn ich hundert Jahre dort gelebt hätte. Denn eben weil das weibliche Geschlecht das schwächere ist, um so Mitleid erregender weckt seine Hilfsbedürftigkeit das menschliche Mitgefühl, und die Tugend der Frauen ist vor Gott und Menschen um so angenehmer. Gott aber verlieh unserer geliebten Schwester, die den anderen vorstand, in aller Augen so viel Gnade, dass die Bischöfe sie wie eine Tochter, die Äbte wie eine Schwester, die Laien wie eine Mutter liebten, und alles bewunderte gleicherweise ihre Frömmigkeit, Klugheit und in allen Lagen unvergleichliche Sanftmut und Geduld... Hist. Cal.
1147: Bernhard von Clairvaux predigt in Toulouse gegen Heinrich von Lausanne und die Henricianer. In Paris fällt das Stift Saint-Geneviève an Saint-Victor. Es beginnt der 2. Kreuzzug, gefördert durch die Propaganda Bernhards.
1149: Bischof Gottfried von Chartres stirbt; sein Nachfolger wird Johann von Salisbury. Der 2. Kreuzzug endet mit einem Fiasko.
1150: Die Pariser Universität als verfasstes Organ wird gegründet.
1151: Thierry von Chartres und Suger von Saint-Denis versterben.
1152: Friedrich I. Barbarossa wird deutscher König und Kaiser.
1153: Auf Drängen Bernhards von Clairvaux findet der Ketzerprozess gegen Gilbert von Poitiers wegen Trinitätshäresie statt. Wenig später verstirbt Bernhard von Clairvaux. Er hinterlässt europaweit 343 Klöster des Zisterzienserordens.
1154: Heinrich II. Plantagenet wird König von England. Hadrian IV. wird zum Papst gewählt.
1155: Papst Hadrian IV. verbündet sich mit Friedrich Barbarossa gegen die römischen Republikaner. In der militärisch gesicherten Peterskirche wird Barbarossa zum Kaiser gekrönt. Arnold von Brescia wird als Ketzer hingerichtet.
1156: Petrus Venerabilis stirbt.
1157/58: Bischof Otto von Freising verfasst seine "Gesta Friderici Imperatoris", in der auch die Auseinandersetzung zwischen Abaelard und Bernhard geschildert wird, sowie die 2. Auflage seiner "Chronica Sive Historia De Duabus Civitatibus".

1164
16. Mai

Die tote Heloise

Dieser Tag ist als Heloïsas Todestag überliefert. Über die Todesumstände ist nichts bekannt. Heloïsa wird an der Seite ihres Gatten im Paraklet beigesetzt.

Du hast uns vereint, o Herr, und wiederum getrennt, wie es dir gefallen und wann es dir gefallen. Nun, Herr, vollende in deiner großen Barmherzigkeit, was du so barmherzig begonnen; die du in der Welt für kurze Zeit auseinander gerissen, vereinige sie mit dir im Himmel für alle Ewigkeit... Abaelard, Epist.5

Was auch immer ihrer beider jeweiliger Stand in den Augen der Menschen damals war: Heloïsa hat hier ihre Rolle als Frau ganz gespielt; sie hat Abaelard gezwungen, ihr sogar in seinem Werk als Philosoph und Prediger einen Platz einzuräumen; sie hat aus ihm einen Ordensgründer und einen geistigen Meister gemacht. Das heißt also, dass sie ihn dorthin geführt hat, wohin er aus sich selbst heraus nicht zu gehen fähig gewesen wäre; und diese Folge von Selbstüberwindungen, die ihm eine von nun an verwandelte Liebe abverlangte, hat ihn zu seiner letzten Verwandlung geführt... Wenn der Name Abaelard bis in unsere Generation überliefert wurde, dann in der Tat deshalb, weil er der Held einer unvergleichlichen Liebesgeschichte war; hierin liegt für uns die ganze Bedeutung seines Lebens. Man könnte auch sagen: Was die Größe Abaelards ausmacht, ist Heloïsa...   Régine Pernoud, Heloïse und Abaelard

Die weitere Geschichte des Paraklet-Klosters findet sich an anderer Stelle innerhalb dieser Seiten.
1163: Die noch heute stehende Kathedrale Notre-Dame in Paris wird unter Bischof Mauritius von Sully begonnen.
1174: Bernhard von Clairvaux wird heilig gesprochen.

1497

Die Gebeine von Abaelard und Heloïsa werden aus der Kapelle Petit Moustier in die Abteikirche des Paraklet überführt.
 

1621

Die sterblichen Überreste von Abaelard und Heloïsa werden unter den Hochaltar der Abbaziale des Paraklet umgebettet.
 

1792

Während der Französischen Revolution erfolgt die Zwangsauflösung des Klosterverbandes. Das Paraklet-Kloster kommt in weltliche Hände und wird anschließend zum großen Teil abgerissen.

Frau Äbtissin und die Desmoiselles de Liancourt schritten das letzte Mal die Freitreppe des Hauses hinab. Die Äbtissin gab ihrem ehrwürdigen Direktor die Hand und sagte zu ihren Nichten: Fahren wir. Ich gab den Desmoiselles de Liancourt ebenfalls die Hand. Wir gelangten zu dem kleinen Wagen, dann halfen wir beim Einsteigen. Das Verdeck der kleinen Equipage hallte wider von Schluchzern. Doch das Getrappel der Pferde und der Lärm der Räder hinderten uns bald daran, sie noch zu hören. Der Herr Direktor und ich kehrten in den Konvent zurück. Dieser war nicht mehr das Asyl der Jungfrauen: Die Herde war verschwunden... Bürger Lacoine, die Vertreibung der Paraklet-Nonnen
Der Paraklet am Vorabend der Revolution

1792
9. Nov.

Saint-Laurent in Nogent

Die Gebeine Heloïsas und Abaelards werden in die Pfarrkirche Saint-Laurent in Nogent-sur-Seine überführt.
 

1817

Es erfolgt die Beisetzung des Paares auf dem Friedhof Père-Lachaise in Paris. Hier ruhen die sterblichen Überreste von Abaelard und Heloïsa heute noch.

Diejenigen Überreste, von denen man vernünftigerweise annehmen konnte, sie seien Abaelards und Heloisens, wurden 1817 in den Friedhof Père-Lachaise in Paris verbracht. Bis in unsere Tage hinein kann man dort an Sommersonntagen Männer und Frauen sehen, welche die Grabstätte mit Blumen schmücken... Durant, Kulturgeschichte der Menschheit

Was sagst du da? Ich liebe sie nicht? Was weißt denn du? Ich liebe sie mit aller Kraft. Meiner Kraft. Und ich liebe sie auf meine Art. In jener Art, die mir gegeben und erlaubt ist und schön erscheint. Es ist Heloïsa, die nicht versteht, wie viel schöner und auch ihrer Größe und ihrem Rang angemessener diese Art Liebe ist. Ich will Dir etwas sagen: Wie alle Frauen hängt sie an einer Vorstellung von Liebe, die den Besitz des Geliebten will, ein für alle Male gesichert. Liebe aber will Wandlung. Liebe ist ein geistiger Weg und kein behagliches Haus. Ich schwöre dir, mein und Heloïsas Sohn: Ich liebe deine Mutter, wie nur je ein Mann sie lieben konnte, aber ich liebe sie so, dass es zu unser Heil ist... Abaelard zu Astralabius, in: Luise Rinser, Abaelards Liebe
Grabmonument auf dem Friedhof Père Lachaise


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